Recklinghausen. Umjubeltes Gastspiel mit Angela Winkler und Joachim Meyerhoff bei den Ruhrfestspielen: „Eurotrash“ in einer großartigen Inszenierung.
Selbstverständlich war das Ruhrfestspielhaus ausverkauft, weil mit Angela Winkler und Joachim Meyerhoff große Schauspielkunst von der Berliner Schaubühne angereist war. Die beiden hätten mit ähnlicher Sogwirkung vielleicht sogar das Telefonbuch von Tirana aufführen können. Aber mit dem „Eurotrash“-Stoff von Christian Kracht wurde es denn doch ein unvergleichlich unterhaltsamerer Abend, der die Kalauer, Pointen und viele Momente voller Situationskomik im Roman freilegte und zum Funkeln brachte.
Diese skurrile Schweiz-Reise eines exzentrischen, scharf beobachtenden Sohns mit seiner greisen Mutter, die einander nicht ganz grundlos für verrückt halten, entwickelt in der Regie von Jan Bosse eine Schärfe, ja Boshaftigkeit, die der Roman eher zwischen den Zeilen enthält – und doch auch den Kometenschweif ein utopischer Momente. Wie Meyerhoff als Christian Kracht den so gut wie ungekürzten Beginn des Romans beim Umziehen daherplaudert, schon das untergräbt die ichstrotzende Attitüde des Textes zugunsten jener sehr deutschen Familiengeschichte, die sich daraus entwickelt. Das blonde Dandy-Haar ist natürlich Perücke, genau wie die lila Tönung, die Angela Winkler zunächst auf dem Kopf spazierenführt. Paradox: Für diese tabletten-, wein- und wodkasüchtige Greisin mit künstlichem Darmausgang muss Angela Winkler all ihre Schauspielkunst zusammennehmen, muss das Jungmädchenhafte, das auch mit 78 immer noch aus ihr herausdrängt, sehr im Zaum halten; dass es dennoch aufblitzt, von Mal zu Mal, macht die Figur nur plausibler.
Angela Winkler und Joachim Meyerhoff in der Bühne von Stéphane Laimé
Meyerhoff wiederum putzt jenseits von Forellengräten- und anderen Slapsticks die Thomas-Bernhard-Qualitäten der Romansprache heraus. Die wenigen Textunsicherheiten werden souverän zu weiteren Strichen am Charakter seiner Figur. Er macht mit dem größeren Redeanteil gleichwohl die Mutter zur Heldin dieses Stücks, deren große, stille Tragik hinter all dem Komischen, Grellen und Luxusschrott immer glühender zu leuchten scheint.
Der Traum von Afrika, der in der Psychiatrie mündet, ist der eine Stern, der jenseits des irdischen Reichtums-Elend leuchtet – der andere ist das Segelboot, das in der Bühne von Stéphane Laimé vom sprechenden Requisit zum Vehikel der Handlung und schließlich zum Zeugen der Freiheit wird.
Nach zweieinhalb intensiven Stunden regnete es Blumen und endlosen Applaus aus dem stehenden Publikum auf die Bühne.
Weitere Termine: 21. und 22. Mai, nur noch Restkarten.