Duisburg. Zunächst gab es Wagners „Tristan und Isolde“ pandemiebedingt nur in Häppchen-Form. Jetzt folgte die Premiere der ersten vollständigen Aufführung.
Auf Richard Wagner wollte die Deutsche Oper am Rhein in der Pandemie trotz massiver Einschränkungen nicht verzichten. Skepsis war angebracht, als man „Tristan und Isolde“ den Bedingungen anpasste und die einzelnen Akte in Düsseldorf zunächst häppchenweise an drei Tagen präsentierte. Dass das Konzept dennoch überzeugen kann, bewies jetzt die Premiere der ersten vollständigen Aufführung im Duisburger Theater.
Eberhard Kloke, langjähriger Chefdirigent der Bochumer Symphoniker, und Generalmusikdirektor Axel Kober haben sich für eine aufwendige Bearbeitung entschieden, indem sie die Größe des Orchesters nicht einfach reduzierten, sondern dem Hauptorchester ein Quintett mit Englischhorn und vier Streichern auf der Bühne gegenüberstellen, das den introvertierten Passagen der Titelhelden eine intim anrührende Transparenz verleiht. So überzieht Kloke das Werk mit einer zweiten instrumentalen Folie, die geschickt integriert wird.
Dramatische Schlagkraft und klangliche Glut
Überhaupt verliert das Werk in der Bearbeitung nichts an dramatischer Schlagkraft und klanglicher Glut. Das Instrumentalquintett ist Bestandteil der Inszenierung. Es taucht an vielen Stellen auf der Bühne auf und zu Isoldes einsamem „Liebestod“ füllt sich die Bühne mit weiteren Musikern der hochmotiviert aufspielenden Duisburger Philharmoniker, die der selbst am Ende noch taufrisch wirkenden Isolde von Alexandra Petersamer ein würdiges Geleit beim Übergang in eine andere Welt schenken.
Dass sich auch Regisseur Dorian Dreher und Bühnenbildnerin Heike Scheele einschränken mussten, wurde geschickt überspielt. Betont wird einerseits die Einsamkeit, der das Paar unterworfen ist. Man kommt trotz Liebestranks und raffiniert organisierter Ausbruchsversuche nicht zusammen. Am Ende ist es Isolde nicht einmal vergönnt, den sterbenden Tristan in Armen halten zu dürfen. Sie kann nur noch den Sarg umtrauern. Und Tristan selbst ist durch die zehrende Sehnsucht nach der unerfüllbaren Liebe so geschwächt, dass Melot kein Schwert zücken muss, um Tristan tödlich zu verletzen. Den gewaltigen Sterbemonolog Tristans im dritten Akt inszeniert Dorian Dreher als Fiebertraum eines innerlich todeswunden Menschen, der das Ende herbeisehnt. Andererseits wird deutlich, dass jeder Versuch eines Zusammentreffens von der Öffentlichkeit argwöhnisch beäugt wird. Eine Intimsphäre eröffnet sich für Tristan nur in den Wahnvorstellungen des Schlussakts und für Isolde im Hinübergleiten in eine bessere Welt.
Starke Interpreten ohne stimmliche Ermüdungserscheinungen
All das ist präzise durchdacht und wird überzeugend ausgeführt, wobei für die Titelpartien mit Daniel Frank und Alexandra Petersamer zwei konditionell starke Interpreten zur Verfügung stehen, die den fünfstündigen Abend ohne stimmliche Ermüdungserscheinungen durchstehen und sich von Akt zu Akt sogar noch steigern. Ihr zur Seite stehen, ebenfalls auf beachtlichem Niveau, Katarzyna Kuncio als Brangäne, Richard Šveda als Kurwenal und geradezu überragend Hans-Peter König als König Marke. Getragen von Axel Kobers gewohnter Wagner-Intensität und -Souveränität am Pult der vorzüglich aufspielenden Duisburger Philharmoniker.
Begeisterter Beifall für einen großen Wagner-Abend.
Termine in Duisburg: 6. und 14. November (www.rheinoper.de).