Essen. Steven Spielbergs erster komplett digitaler Film wurde mit Spannung erwartet. Fans der Kultcomics um “Tim und Struppi“ dürfte der Streifen spalten. „Das Geheimnis der Einhorn“ erinnert an ein Videospiel.
Das schönste an diesem Film ist sein Vorspann. Er weckt eine große Hoffnung. Denn dort sehen wir, ob wir nun hoffnungslose Nostalgiker oder große Kinder sind, dass alles Gute einfach ist. „Tim und Struppi“, das sind ein paar Striche, Herrchen und Hündchen, beherzt koloriert, und ganz nebenbei ein Comic für die Ewigkeit.
Für diese Ewigkeit ist ein Film verloren, der am Donnerstag in unsere Kinos kommt. Er heißt wie das rotschopfige Strichmännchen und sein bei aller Lämmchenhaftigkeit keinesfalls zu unterschätzender Terrier. Aber alles andere ist ihm abhanden gekommen auf dem Weg zu jener digitalen Perfektion, in der Abenteuer heute unbedingt erzählt werden müssen.
„Das Geheimnis der Einhorn“: Steven Spielberg („Indiana Jones“) führt Regie, Peter Jackson („Herr der Ringe") produziert. Es haben sich die Superstars vereint verhoben. Als erstes (besagter Vorspann ausgenommen, der die schlichte Schöpfung des Comic-Zeichners Hergé würdigt) haben sie die Zeichenstifte weggeworfen. Das ist in Hollywood seit Jahrzehnten üblich.
Schauspieler sind die Vorbilder, den Rest erledigt der Computer
Zugleich aber beschlossen sie, das Abenteuer um Schiffsminiaturen, die zu einem gewaltigen Schatz führen, mit „Performance-Capture“ zu flaggen. Übersetzt bedeutet das echte Mimen (wie Gollum in „Herr der Ringe“), die echte Fratzen ziehen, aus denen ein Computer ohne Ärger mit der amerikanischen Schauspielergewerkschaft einen dauerbelastbaren Charakter formt. Die Rollen-Vorbilder (hier sind es u.a. Daniel Craig und Andy Serkis) können dann nach Hause gehen, den Rest, den macht das Studio schon.
Und wie es macht. Es macht aus dem ganz Einfachen etwas ganz Großes. Es blinken die regennassen Pflastersteine so hyperrealistisch, dass man im Sperrsitz Angst vor nassen Füßen bekommt. Es fliegen uns – zu John Williams’ prächtig pulsender Musik – Käptn Haddocks Flaschen um die Ohren (3-D ist es natürlich auch) und erst die Melonen von Schultze und Schulze. Donnerwetter!
Vieles wirkt einfach nur tot
Aber hat man sich von dieser so staunenswerten wie monströsen digitalen Blähung erholt, wird der Blick frei für eine große farbgesättigte Ernüchterung. Man sieht 107 Minuten die toten Gesichter von Tim und den Seinen: lauter flächige Monde, die uns vorlügen, Menschen zu sein. Die „Einhorn“: ein Geisterschiff. Ihre Seele haben all die Wesen nicht mitgenommen auf ihre große Fahrt in schöne neue Comic-Welten.
Tatsächlich ist dieser Film ästhetisch kaum mehr als das längste Videospiel der Welt. Hätten wir je geglaubt, dass E.T.s Vater das Kino zu Konsolen-Kleinholz macht? Steht zu befürchten, dass er sich seines Publikum sicher ist.