Wiesbaden.. Ausgerechnet Rüpel-Rapper Bushido erhielt am Donnerstagabend ein Bambi für gelungene Integration. Seine Kritiker schäumten. Und Peter Plate, Sänger von Rosenstolz (Bambi fürs Comeback), nannte den Preis für Bushido wegen Frauen- und Schwulenfeindlichkeit „nicht korrekt“. Zum Schluss war aber alle Kontroverse vergessen, Helmut Schmidt sei Dank.
Küsschen, Tränchen, Winke-winke – das Ritual der „Bambi-Gala“ am Donnerstagabend in der ARD war so berechenbar wie das kleine Einmaleins. Bei Deutschlands ältestem Medienpreis hat sich festliche Routine eingeschlichen. Kein Wunder, dass sich die verhaltene Begeisterung des Publikums in mittelprächtigen TV-Quoten niederschlägt. Im Vorjahr übersprang die Burda-Sause mühsam die wichtige Fünf-Millionen-Marke. Diesmal, bei Ausgabe 63, war ihr mehr Aufmerksamkeit sicher. Der Grund hieß Bushido. Ausgerechnet der Rüpel-Rapper erhält ein Gold-Kitz für gelungene Integration. Seine Kritiker schäumen.
Zunächst jedoch blieb sich die Show vor 800 handverlesenen Gästen treu: Eingekaufte Preisträger wie Justin Bieber, Lady Gaga und Gwyneth Paltrow sollten der Burda-Sause internationales Flair verleihen. Aber: Große Emotionen waren anfangs selten.
Thomas Gottschalk will seinen Bambi verlosen
Sicher, Jeanette Hain, beste nationale Schauspielerin, fühlte sich „umarmt von so vielen Armen“. Aber ihr Stammel-Auftritt wirkte verhuscht. Der scheidende „Wetten, dass..?“-Moderator Thomas Gottschalk kündigte brav an, das güldene Reh unter seiner Mitarbeiterschar zu verlosen. Newcomer Tim Bendzko gestand grundehrlich, Dankesreden seien nicht seine beste Disziplin. Matthias Brandt, bester Schauspieler national, dankte kurz, knapp, kein Wort zu viel – typisch Brandt. Ex-„Flipper“-Trainer Richard O'Barry nutzte seinen Bambi erwartungsgemäß, um zum Boykott von Delfin-Schauen aufzurufen.
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Mit immergrünem Charme nahm Ruth Maria Kubitschek ihren Bambi fürs Lebenswerk entgegen: „Wenn man 80 ist, spielt man ohne Konkurrenz – nur noch mit Freude.“ Von alt zu jung: Die blinde Sängerin Sarah Pisek erwies sich als Glücksgriff der Jury. Sie war gerührt, und sie rührte. Senta Bergers Sohn Simon Verhoeven wandelt auf Mutters Spuren: Er erhielt ein Kitz – als bester Filmregisseur.
Eine "zweite Chance" für Bushido
Als stille Helden wurden die privaten sozialen Einrichtungen Kinderhospiz Eidelstedt und die Hazienda Arche Noah geehrt. Beim Sonderpreis der Jury menschelte es ebenfalls: Er ging an den Afghanistan-Veteranen Ralf Rönckendorf, der ein Leben rettete und dabei sein Augenlicht verlor. Der Publikumsbambi ging erstaunlicherweise an „Der Mann mit dem Fagott“. Christian Berkel, Ulrich Noethen und David Rott strahlten heller als die Saalbeleuchtung.
Und dann die Auszeichnung für Bushido. „Bunte“-Chefredakteur Patricia Riekel forderte für ihn „eine zweite Chance“. Er polarisiere. Aber der Musiker setze sich inzwischen „gegen Gewalt und Diskriminierung ein“. Laudator Peter Maffay betonte, ein Preis könne ein Aufruf zu einem Neubeginn sein. So wurde denn der Rapper – bürgerlich: Anis Mohammed Youssef Ferchichi – ausgezeichnet für seinen „wertvollen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis sozialer Gruppen mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln“.
Rostenstolz-Sänger: Bambi für Bushido nicht ok
Der Bambi für Bushido stieß bei dem Rosenstolz-Musiker Peter Plate auf harte Kritik. Das Mitglied des Berliner Popduos, das am Donnerstagabend in der Kategorie Comeback geehrt wurde, äußerte auf der Bühne Unverständnis für die Verleihung des Medienpreises an Bushido. Es sei sicher richtig, dass Menschen "einander neue Chancen geben" und nach langer Auszeit auch wieder eine Rückkehr ermöglichten, sagte Plate mit Blick auf seine eigene Geschichte. "Ich finde es aber nicht ok, dass ein Musiker, der frauen- und schwulenfeindliche Texte schreibt, mit einem Bambi geehrt wird", sagte der homosexuelle Sänger.
Die Auszeichnung an Bushido hatte bereits vor der Verleihung eine heftige Debatte ausgelöst. Bushido – bürgerlich: Anis Mohammed Youssef Ferchichi – wird ausgezeichnet für seinen „wertvollen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis sozialer Gruppen mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln“. In seinen Texten freilich kommt Bushido nicht gerade als Johannes Rau des Rap rüber. Verhöhnen und spalten statt versöhnen. Bushidos Künstler-Name ist Programm: Er bedeutet „Der Weg des Kriegers“. Bushido verkauft Drogendeals als Protest gegen die Bonzen-Klasse, preist Gruppensex, gibt den Macho mit Gewalt-Fantasien. Bushido, die Ghetto-Faust.
Bushido polarisiert
In seinen Texten gab sich Bushido oft als böser Bube, in Talkshows indes präsentiert sich der Sohn einer alleinerziehenden deutschen Mutter als „guter Junge“. Der ehemalige Gymnasiast, der eine Berliner Penne als Elftklässler verließ, kann mit Worten jonglieren, und zu benehmen weiß er sich auch. Bushido, der Dr. Jekyll und Mister Hide der deutschsprachigen Pop-Musik.
Bei der Bambi-Verleihung distanzierte sich Bushido In einer emotionalen Rede von Drogen und Gewalt. Zugleich bekannte er: „Ich bin Deutscher. Ich habe mich nie fremd gefühlt.“ Zugleich gab er sich offen – auch Rosenstolz gegenüber.
Das Finale bestritt Helmut Schmidt. Der 92-jährige Alt-Kanzler erhielt einen Millenniumsbambi. ARD-Talkerin Sandra Maischberger, inzwischen so etwas wie eine Schmidt-Vertraute, sagte, die Deutschen hätten ihr Verhältnis zu ihm geändert. Aus Respekt sei Liebe geworden. Der Geehrte fühlte sich geschmeichelt: „Ich muss gestehen, dass ich diese Worte gern gehört habe.“ Gern hörte das Saalpublikum auch Schmidts Rede an die Nation. Es gab stehenden Applaus.
Protest auf Facebook
Im Vorfeld der Bambi-Verleihung hatte sich im Netz Protest organisiert. Eine Facebook-Gruppe namens „Kein Bambi für Bushido“ brachte es binnen kürzester Zeit auf mehr als 6200 Mitglieder. Ebenfalls via Facebook rief die Schwulen-Gruppe „Warmes Wiesbaden“ zum Protest gegen den Bushido-Bambi auf.
Der öffentliche Aufruhr ließ den Musiker nicht kalt. Per digitalem Kurznachrichten-Dienst Twitter schaltete er sich in die Diskussion ein. Er nannte die Kritik erstaunlich dünnhäutig „erbärmlich“.
Die Bambi-Verleihung des Rappers Bushido stößt beim Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, auf massive Kritik. "Wer Frauen- und Schwulenverachtung propagiert, hat keinen Preis für gelungene Integration verdient", sagte Beck der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagausgabe). Ihm sei kein Dokument bekannt, in dem sich der der Rapper von seinen "menschenverachtenden Texten" distanziert habe. "Wenn Bushido jetzt behauptet, Kaffee zu trinken statt Drogen zu nehmen, reicht mir das nicht aus", sagte Beck. Er verstehe deshalb die Entscheidung des Burda-Verlages nicht, der den Preis vergibt
Angesichts des breiten Widerstands gegen die Bushido-Trophäe ist allerdings eher der Versuch von Bambi-Spender Burda erbärmlich gescheitert, die sozialen Netzwerke des Internets in sein Vermarktungskonzept einzuspannen. Dabei hatte sich das Unternehmen noch vor kurzem selbst vollmundig für sein Engagement bei Facebook gelobt, – „als erstes und bislang einziges der großen Medienunternehmen“. (mit dapd)