Essen.. Baumarkt, Playboy, Schlammcatchen – genau richtig, es geht um Frauenfußball. Frank Plasberg machte in seiner „Hart aber fair“-Sendung über „das verordnete Sommermärchen“ anschaulich, wie man Talkshowgästen Klamauk diktiert.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten wie über Schiedsrichterinnen-Entscheidungen. Wenn man das denn will. Frank Plasberg hatte sich für seine „Hart aber Fair“-Debatte am Mittwochabend aber anscheinend etwas anderes überlegt.
„Das verordnete Sommermärchen - müssen jetzt alle Frauenfußball gut finden?“, so der Titel der Sendung. Er wirft eine Frage auf, die korrekt zu beantworten leider nicht formatfüllend gewesen wäre. Nein, niemand wird gezwungen, einzuschalten, dran zu bleiben, Tickets oder Trikots zu kaufen. Und bisher zumindest sind auch keine Fälle bekannt, wo WM-Organisatoren unschuldige Passanten unter Androhung von Gewalt auf halbgefüllte Public-Viewing-Plätze getrieben hätten, damit die Fernsehbilder besser aussehen.
Die 16 Millionen Menschen, die im Schnitt die Deutschlandspiele im Fernsehen verfolgt haben, haben das freiwillig getan. Wer abschaltet, muss keine Konsequenzen fürchten.
Die falschen Gäste
Hätte Plasberg die Frage, die hinter seiner Eingangsthese vom verordneten Sommermärchen steckt, nämlich die Frage danach, warum Frauenfußball auf einmal massenweise und von vielen begeistert wahrgenommen wird, tatsächlich diskutieren wollen, dann hätte er - Alternative eins - andere Gäste einladen müssen. Programmverantwortliche aus ARD und ZDF beispielsweise. Alle Spiele, alle Tore: Warum geht das jetzt erst? Was ist passiert seit den 1990ern, als die Sender noch überredet werden mussten, Frauen-Finalbegegnungen zu zeigen? Da hätte auch der ein oder andere Medienwissenschaftler, Soziologe oder DFB-Repräsentant was zu sagen gehabt. Auch interessant: Redakteure der Bild-Zeitung, die erklären, warum das Blatt auf einmal eine Veranstaltung hochjubelt, die so gar nicht in sein eigentliches Bild der Frau passt.
Alternative zwei - Plasberg hätte seine Gäste wenigstens ernst nehmen müssen. Da sind Sabine und Rolf Töpperwien, Geschwister, Sportkommentatoren, Frauenfußballfans. Da ist Bärbel Wohlleben, die 1974 als erste Frau überhaupt das Tor des Monats schoss. Und da sind Ex-Nationaltorwart Uli Stein und Spiegel-Kolumnist Hajo Schumacher, die den Frauen-WM-Hype nicht verstehen können.
Dass Joachim Llambi, „Let’s Dance“-Juror und Börsenmakler, zu Finanzmarktthemen gern gesehener Talkshow-Gast, die Runde komplettierte, gab jedoch schon einen Hinweis darauf, was sich die Sendung offenbar vorgenommen hatte: sich eine Stunde lang herrlich mittels sämtlicher vergilbter Rollenklischees auf Kosten einer sinnstiftenden Diskussion zu amüsieren – und wehe, die Gäste ziehen nicht mit.
Und so durfte der ehemalige Profistandardtänzer Llambi schon zu Beginn zu Protokoll geben, dass der Frauenfußball prinzipiell in Ordnung sei. Besonders wenn hübsche junge Damen spielten und das auch noch gut machten. Noch lieber würde er sie aber auf dem Parkett elegant die Hüften schwingen sehen.
Befragung vor dem Baumarkt
„Mutig“ im Lichte des Sendungstitels findet es Moderator Plasberg, dass Schumacher zugibt, für ihn bleibe Frauenfußball eine Randsportart. Dabei hat Schumacher durchaus gute Argumente: Für die stinknormalen Bundesligaspiele der Damen interessieren sich weder Zuschauer noch Sponsoren, es gibt kein Geld zu verdienen, den Mannschaften fehlt es an Tradition. Deswegen sei es für den Zuschauer auch schwerer, mitzufiebern und sich zu begeistern. Die Fankultur müsse langsam wachsen – da pflichten Rolf und Sabine Töpperwien sogar bei.
Doch bevor es Plasberg zu hintergründig wird: Schnell ein Einspielfilm. „Männer sind so was von feige, ich schäme mich für mein Geschlecht“, moderiert er ihn an. Was halten Männer eigentlich wirklich vom Frauenfußball, will das Filmchen zeigen. Und wo findet man ehrliche Männer, wenn nicht - na klar - vor dem Baumarkt. Dann noch schnell ein paar Suggestivfragen gestellt und schon gibt’s die gewünschten Antworten: „Die können ja noch nicht mal den Ball stoppen.“
Noch ein weiter Weg
Das ist natürlich Quatsch, aber offensichtlich das, was „Hart aber fair“ als hilfreichen Debattenanstoß ansieht. Schumacher setzt noch einmal an, will über gewandelte Rollenbilder und Emanzipation sprechen. Kommentatorin Töpperwien sagt gerade, dass sie Frauenquoten in Fußballverbänden für wenig sinnvoll hält, da leitet der Moderator den nächsten Einspieler ein. Es ist eine Archivaufnahme von 1970. Sportstudio-Legende Wim Thoelke lästert über die inoffizielle Frauennationalmannschaft. „Die brauchen sich gar nicht so aufregen die Zuschauer. Die Frauen waschen ihre Trikots ja selber“, ist zu hören. Und weiter: „Decken! Decken! Nicht Tischdecken, Manndecken!“
Der Ausschnitt ist ein Beleg dafür, wie weit der Frauenfußball in Deutschland gekommen ist. Und wie viele Barrieren er überwinden musste. Noch vor 40 Jahren verbot der DFB den Frauen, eine Liga zu gründen: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“
Ein bieder-belustigter Plasberg, der sich nicht zu schade war, für ein paar Publikumslacher noch den letzten Frauenfußballwitz herauszukramen („da braucht man keine Zeitlupe“) war am Mittwoch der Beweis, dass vor den Spielerinnen noch immer ein weiter Weg liegt.
„Fußball ist Fußball“
Bis dahin darf sich Fatmire Bajramaj weiter für eine Sportartikel-Kampagne rechtfertigen, in der sie „scharf“ genannt wird. (Zitat Schumacher in dem Zusammenhang: „Ich würde mich als Frau nicht für den Playboy ausziehen“). Und Bärbel Wohlleben muss weiter gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn Plasberg Frauenbegegnungen mit Schlammcatchen assoziiert.
Seelische Schäden hat die „Hart aber fair“-Sendung nicht hinterlassen, einen Erkenntnisgewinn allerdings auch nicht. „Fußball ist Fußball“, meinte Torwarttrainer Uli Stein gegen Ende versöhnlich. Ach so, na dann.