Düsseldorf.. Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast zeigt den Regie-Star Wim Wenders des Films als Fotografen: 80 Aufnahmen von schöner Überwältigungskraft - “4 real & true 2“.
Eigentlich wollte Wim Wenders ja Maler werden. Er hat sich sogar an der Düsseldorfer Kunstakademie beworben – und ging dann 1967 doch zur neugegründeten Filmhochschule in München. Der Film war für Wenders eine „Fortführung der Malerei mit anderen Mitteln“, wie er das nennt. Die scheinbar so verwandte Fotografie aber ist für ihn etwas gänzlich Anderes.: „Im Film erzähle ich, in Fotos kann ich den Ort erzählen lassen, an dem sie entstehen. Ich bin nur der Übersetzer. Ich komme leer und ohne Absicht.“
Heraus kommen dabei kalenderblattschöne Landschaftsaufnahmen vom amerikanischen Westen oder vom See Genezareth, Reportagen von verrottenden Riesenrädern in der Steppe von Armenien oder auch eine Sinfonie in Orange, die ein menschenverlassenes Open-Air-Kino in Palermo zeigt.
Angenehm überwältigende Wirkung
Diese Bilder, die nicht zuletzt wegen ihres XXXL-Formats eine angenehm überwältigende Wirkung haben, sind nun gemeinsam mit 80 weiteren im Düsseldorfer Museum Kunstpalast ausgestellt. Nach seiner dritten Oscar-Nominierung und dem César für „Das Salz der Erde“, nach dem Ehrenbären und der Hommage bei der Berlinale sowie einer Filmreihe im New Yorker MoMA gehen die Wim-Wenders-Festspiele im Jahr seines 70. Geburtstags (der ist im August) nun also in seiner Geburtsstadt weiter.
Wenders fotografiert prinzipiell analog
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Die Ausstellung mit dem etwas gesuchten Titel „4 Real & true 2“ („in echt und auch wahr“) ist ein Fest für die Augen. Wenders verfügt zum einen über ein untrügliches Gespür für Farben – die Frau im knallroten Kleid im Graugrün-Ozean des Schlachtschiffs im japanischen Onomichi zeigt das, jenes seltsam glühende Türkisneonlicht einer Pension im Straßenköterbraun des Sonnenuntergangs von Texas aber auch. Zum anderen achtet Wenders immer noch, wie der Schwarz-Weiß-Fotograf, der er nur ganz am Anfang in den 70er- und frühen 80er-Jahren war, extrem genau auf Strukturen – blenden lässt er sich von den Farben nicht.
Überhaupt:Wenders fotografiert prinzipiell analog, die Panorama-Aufnahmen mit einer 6.x17-Rollfilm-Kamera, die anderen mit einer 6x7-Mittelformat-Kamera. Manipulationen kommen für ihn nicht in Frage, kein Kunstlicht und kein Stativ. Und weil er nach wie vor mit Film arbeitet, wurden seine Aufnahmen in Fukushima zum Dokument: Die radioaktive Strahlung legte einen Schleier und wellenförmige Störungen über die Bilder.
Heimliche Aufnahmen am Ground Zero in New York
Wim Wenders beharrt auf dem „Ph“-Wert der „Photographie“, weil er sich dicht am Wortsinn aus dem Griechischen fühlt: Photo steht für Licht und graph für Malen – Malerei mit Licht. Am augenfälligsten auf Wenders’ Bildern von den Aufräumarbeiten am Ground Zero, der eigentlich für Fotografen abgesperrt war, außer für den amtlich bestellten Joel Meyerowitz. Wenders „besorgte“ sich einen Ausweis als dessen Assistent und nahm ausnahmsweise pathetische Bilder auf, weil das wenige Licht, das die Wolkenkratzer ringsum durchließen, ein seltsames Gleißen bekam, manchmal nur ein mystisch hereinfallender Strahl war.
Wenders’ Text zu diesen Bildern ist bewegend; wie überhaupt sich der Katalog im Taschenbuchformat vor allem wegen der Texte des „Photographen“ zu seinen Bildern lohnt. Im Briefmarkenformat verlieren großartige Bilder wie die rostenden Buchstaben des armenischen Alphabets mitten in der Wildnis ihre Wirkung. Die kannte übrigens auch der armenische Fahrer nicht, der Wenders dorthin brachte: „Die Einheimische führen einen immer nur dorthin, wo alle fotografieren“, lächelt Wenders, „aber die anderen Orte wollen fotografiert werden. Sie rufen danach und ich höre das.“ Geschätzte 400.000 Kilometer hat er dafür zurückgelegt, von Jerusalem bis Wuppertal, von Ayers Rock bis nach Havanna. Und die Geschichten, die seine Bilder erzählen, versteht vielleicht jeder anders. Aber es sind verdammt gute Geschichten.