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Drahtlose Mikrofone sind Alltag in Deutschlands Kulturwirtschaft - und bald nichts mehr wert. Die Bundesregierung hat die Frequenzen versteigert. Betroffen sind Theater und Musicals, aber auch Kirchen und Schulen.

Peter Maffay fürchtet derzeit den knauserigen Gesetzgeber mehr als singende Konkurrenten. Er spricht von „massiver Auswirkung auf meine künstlerische Gestaltungsfreiheit“, die er erwartet, sieht gar eine „Bedrohung meiner Produktionsmöglichkeiten“. Denn die Techniker von Maffay-Shows wie „Tabaluga“ setzen bis zu einhundert drahtlose Mikrofone ein, um auf mehreren Bühnen gleichzeitig Event zu machen und den Fans einzuheizen. Der Verkauf der einschlägigen Frequenzen an Mobilfunkbetreiber durch die Bundesregierung könnte sie bald zwingen, alle ihre einhundert auf den Müll zu werfen und durch teure neue Geräte zu ersetzen. Die kosten im Schnitt 2500 Euro das Stück, manche mehr.

Drahtlose Mikrofone sind Alltag in Deutschlands Kulturwirtschaft – und nicht nur dort. „Starlight“-Tänzer wirbeln auf Rollschuhen über Bochums Bühne. Ohne das Mikro käme ihr Einsatz unten nicht an. Der Pfarrer predigt von der Kanzel ohne Kabel. Sonst bliebe seine Herde ohne frohe Botschaft. Vorne erzählt der Vorstandsvorsitzende von der Bilanz, ein Aktionär im Saal will die Zahlen in Zweifel ziehen. Jede Hauptversammlung wäre eine rechtswidrige One-Man-Show ohne die drahtlose Mikrofontechnik.

Frequenz-Vertriebene

So ist es heute. Und morgen? Die Bundesregierung hat die Frequenzen zwischen 790 und 862 Megahertz für 3,6 Milliarden Euro versteigert. Die Mobilfunkbetreiber freuen sich, denn sie werden bald nicht nur bessere Empfangsqualität auf dem flachen Land haben, sondern einen „Mehrwert fürs Handy“ anbieten können. Freuen tut sich auch die Bundesregierung. Der Versteigerungserlös entlastet die Staatskasse.

Die, die aufs drahtlose Mikrofon angewiesen sind, ziehen dagegen den Kürzeren: 790 bis 862 Megahertz – das ist genau die Frequenz, auf der sie bisher ihre Mikrofone betreiben. Von dieser Bandbreite werden sie verjagt. Theater und Musicals, Bürgervereine und Kirchen, Kongresse, selbst Schulen und Universitäten: Mit wenigen Ausnahmen – Bochums Prinz -Regent-Theater verfügt über ein einziges Drahtlos-Mikro - sind fast alle betroffen von der Frequenz-Vertreibung.

„Das wird teuer“, ahnt Peter Lucassen, Chef der Technik beim „Starlight Express“ in der Nachbarschaft. Dabei sinkt die Aussicht auf staatliche Hilfe. Ende letzter Woche räumte die Regierung in Berlin ein, Bund und Länder hätten „keine Einigung über eine Entschädigung erzielt“. Anträge von SPD, Linken und Grünen, die unterm Strich auf einen Hilfsfonds für die Veranstalter hinauslaufen, werden von den Koalitionsfraktionen abgewiesen. Für die Opposition ist das der Bruch eines Versprechens, eine „angemessene Entschädigung“ zu zahlen.

Schlecht für Lucassen. Seine Rechnung: 100 000 Euro werden bei einer Neubeschaffung für die zentrale „Starlight“-Technik draufgehen, noch mal mehr als 100 000 für den Ersatz der 26 Mikrofone, die das Musical-Ensemble braucht. 4000 Euro kosten sie das Stück. „Wenn die Mobilfunkbetreiber die ersteigerten Frequenzen nutzen, wird unser Empfang massiv gestört“. Auszuweichen ist nach den Regierungsplänen auf den Bereich 470 bis 790 Megahertz. Für den taugt aber die heutige Technik nicht. Zur Beschaffung neuer Mikrofone bestehe keine Alternative, sagt Lucassen, „es sei denn, wir schotten das ganze Gebäude ab. Aber können Sie sich vorstellen, was das dann kostet?“

Starker Zeitdruck

Die Betroffenen haben sich zum „Verband für professionelle drahtlose Produktionstechnologie“ zusammengeschlossen. Sein Chef Matthias Fehr schätzt, dass bis zu 630 000 Mikrofone ausgetauscht werden müssen. Kosten: 1,5 Milliarden Euro. Mehr noch: „Es könnte sein, dass das alles viel schneller geht“, sagt er, dass für die Umstellung gerade 24 Monate bleiben könnten.

Die Deutsche Bischofskonferenz, teilt ihr Sprecher Matthias Kopp mit, hat schon mal die Rechtsabteilung aktiviert. Es funkt im Funk-Krieg.