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Der Vampir-Mythos entspringt den Tiefen der menschlichen Seele. Der moderne Untote ist so, wie wir gerne wären. Das sagt einer, der es wissen muss: Rainer Maria Köppl bezeichnet sich selbst Vampirologe.
Zwei spitze Zähne, ein schwarzes Cape: Das sind global gültige Zeichen. Am 31. Oktober, wenn die Welt ein einziger grinsender Kürbis ist, werden wir wieder heftig mit dieser nicht tot zu kriegenden Fiktion flirten – biss zum Abwinken. Dabei sind wir doch selbst: Vampire.
Der Österreicher Rainer Maria Köppl, Jahrgang 1958, ist Professor für Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Uni Wien. Er selbst nennt sich Vampirologe. Das Thema hat er quasi von Kindheit an am Hals: In seinem neuen Buch beschreibt er, wie seine Mutter ihn mit Knoblauchzehen-Ketten gegen das Böse zu schützen suchte. Das prägt.
Köppl erzählt die Geschichte der Vampire und ihrer Mythen: Bis ins späte 18. Jahrhundert hinein waren viele überzeugt, dass es Untote gibt. Es wurden gar Gräber geöffnet, um Leichen zu pfählen. Erste Vampir-Fiktionen finden sich bei Homer. Der Hype aber begann 1816, als Lord Byron und sein Leibarzt den Vampir Lord Ruthven erfanden. Es folgten Bühnenstücke, Opern gar. 1897 schließlich schrieb Bram Stoker „Dracula”.
Der Bankster als Blutsauger
Warum sind die Fabelwesen so faszinierend? Waren es früher Adelige, deren Gier karikiert wurde, zielte die jüngste psychologische Erklärung ab auf die Finanzkrise: der Bankster als Blutsauger. Dann ist da noch die Erotik des Ganzen: Wenn er ihr seine Zähne ins Fleisch schlägt, braucht es kaum das Wort „Eindringen”, um Assoziationen zu wecken.
Für den aktuellen Boom aber hat Köppl zwei Erklärungen, die zeigen, dass Vampire uns näher sind als je zuvor – und moralisch überlegen. Zum einen prägte in den USA der Bush-Ära Angst das Klima: vor Terroristen, aber auch vor der eigenen Regierung. Eine Zeitschrift zeigte den US-Präsidenten als Vampir, der die Freiheitsstatue aussaugt!
Furcht, Vorurteile, Kulturkämpfe – all das findet sich in der Serie „True Blood”, in der Vampire als „gesetzlich anerkannte Untote” unter den Menschen leben. Und nicht mehr Lord Sowieso, sondern Bill heißen. Sie sind wie wir!
Zum anderen seien heutige Vampire, wie etwa jene der Twilight-Saga, „Projektionsflächen für pubertäre Sehnsüchte”. Beide Serien greifen ja das Romeo-und-Julia-Konzept auf: „In einer aufgeklärten Gesellschaft ist die Liebe zwischen Mensch und Vampir die vielleicht einzige noch mögliche romantisch-tragische Liebesgeschichte”, so Köppl.
Und: Beide Stories zeigen Vampire als machtvolle Super-Wesen, die ihre Sucht beherrschen. In „True Blood” trinken Vampire gar künstliches Blut. Dafür erinnern sich Menschen an frühkindliche Säugetier-Erlebnisse – und saugen ihrerseits Vampire aus, allein des herrlichen Blutrausches wegen.