Berlin. .

Museen werden nicht müde, die Schrecken der NS-Diktatur zu erklären. Das Deutsche Historische Museum in Berlin macht einen weiteren Versuch. „Hitler und die Deutschen“ gerät kundig, aber doch zu routiniert.

Ausstellungen, Filme und Bücher über Adolf Hitler haben alle dasselbe Problem: Wie erklärt man einen Kult ohne gleichzeitig den Kult zu polieren? Im Deutschen Historischen Museum in Berlin bringen sie sich jetzt routiniert auf die sichere Seite: „Hitler und die Deutschen” ist solider Geschichtsunterricht - materialsatt, aber leider etwas profilschwach.

Der Untertitel verspricht deutlich mehr Zuspitzung als die Ausstellung am Ende hält: „Volksgemeinschaft und Verbrechen” - das sind immerhin die beiden wichtigsten Stichworte, unter denen die NS-Forschungsdebatten der letzten Jahre geführt wurden. Die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung zeigte ab 1995 die Beteiligung der Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen und Vernichtung. Parallel dazu erschienen neue Studien zur NS-Gesellschaft: Daniel Goldhagens umstrittenes Buch über den eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen, („Hitlers willige Vollstrecker”), Ian Kershaws wegweisende Hitler-Biographie, die vieles über die psychologische Wirkung des charismatischen Führers erklärt, und schließlich Götz Alys ebenfalls heftig diskutiertes Buch über „Hitlers Volksstaat”, über die soziale und vor allem ökonomische Bereicherung der nicht-jüdischen Bevölkerung durch den Holocaust.

Geschriebene Gedichte und gefühlige Grüße vom Volk

Die Berliner Ausstellungsmacher wollen vieles davon einbeziehen - verzetteln sich aber. Um bei der deutschlandweit ersten großen Ausstellung über Hitler nichts falsch zu machen, wird einmal mehr die gesamte NS-Geschichte chronologisch an den routinierten Stationen entlang erzählt - statt sich einmal originell und ausführlich mit den heiklen Motivlagen des Führervolks zu befassen: mit der Militarisierung des Alltags, mit Karrieremöglichkeiten und Modernisierungsschüben. Stattdessen ein bisschen zu viel Hitler-Show (45 verschiedene „Spiegel”-Titel mit dem Bärtchen-Motiv), groteske Devotionalien und andere Auswüchse des Führerkults.

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Von DerWesten

Leicht übersehen kann man dabei zum Beispiel vier DIN-A-6-Zettel, auf denen Adolf Hitler um 1936 seine Gedanken, vielleicht für eine Rede, sortiert hat. Ein paar Schlagworte, ein paar Pfeile, Klammern, Ausrufungszeichen - hier kalkuliert einer bewusst mit der Kraft der Vereinfachung. Und so lapidar diese Zettel auf den ersten Blick scheinen, sie dokumentieren exemplarisch das Handwerk jedes Populisten.

Bereits vier Jahre früher bekommt Hitler zu seinem Geburtstag Post von einem achtjährigen Jungen aus Chemnitz. „Mein lieber Freund Hitler!” schreibt Klaus Hunger, „Ich gratuliere Ihnen zum Geburtstag.” Lieselotte Yorck-Weiser schickt selbst geschriebene Gedichte und gefühlige Grüße. Ein Jahr vor der Machtübernahme ist Hitler bereits für viele Deutsche ein emotionales Epizentrum. Und das, obwohl, wie einer der beiden Kuratoren, der Münsteraner Historiker Hans-Ulrich Thamer betont, Adolf Hitler „als Person ein Niemand” war. Einer, der sein Charisma nicht mitbrachte, sondern von Applaus zu Applaus heranzüchtete.

Der kurze Weg vom Niemand zum Führer

Der Blick zurück auf Hitler und die deutsche Volksgemeinschaft könnte konzentrierter sein - kommt aber insgesamt zu einem günstigen Zeitpunkt. Die deutsch-deutschen Jubiläen der letzten zehn Monate sind gefeiert, der Blick ist frei auf die dritte Wiedervereinigung: Nach der Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge des zweiten Weltkriegs, nach der Vereinigung von 1990, steht jetzt die verspätete Integration muslimischer Einwanderer an. Und mit ihr die Frage nach Identität und Gemeinschaft, kurz: dem Kitt, der alles zusammenhält. Da ist es nicht falsch, daran zu erinnern, wie kurz der Weg von einem Niemand zum Führer und von einer Bevölkerung zu einer Volksgemeinschaft ist.