Essen. .
„Bilder einer Metropole. Die Impressionisten in Paris“ vereint rund 80 Gemälde von Großmeistern wie Monet, Renoir, Signac, Pissaro und Caillebotte. Eine neue Gemäldegroßtat im Essener Chipperfield-Bau.
Wer mit der Erwartung an flirrende Strandbilder, sonnendurchflutete Landschaften und beschauliche Gartenszenen kommt, der wird hier auf angenehme Weise enttäuscht. Das Essener Museum Folkwang zeigt ab Samstag eine große Impressionisten-Schau, die mit ganz anderen Sehenswürdigkeiten aufwartet: mit spektakulären Stadtpanoramen, imposanten Häuserschluchten und Straßenszenen.
Die von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy beschirmte, von Eon Ruhrgas gesponserte und von den Französinnen Françoise Cachin und Françoise Reynaud kuratierte Ausstellung „Bilder einer Metropole. Die Impressionisten in Paris” vereint dabei rund 80, teils noch nie in Deutschland gezeigte Gemälde von Großmeistern wie Monet, Renoir, Signac, Pissaro und Caillebotte. Sie stellt uns aber auch weniger bekannte Zeitgenossen wie Frits Thaulow und Louis Welden Hawkins vor. Dazu kommen 125 Aufnahmen von Ausnahme-Fotografen wie Charles Marville und Eugène Atget. Die spannende Verbindung von Fotografie und Malerei belegt auf stupende Weise, wie sich zwei Medien, alt und neu, damals Konkurrenz machten und Anregung gaben.
Porträt einer Stadt im Umbruch
Wandel in der Bebilderung, Wandel vor allem aber in der Stadt. „Bilder einer Metropole” zeigt das facettenreiche, thematisch weit gefasste, in 13 Kapitel unterteilte Porträt einer Stadt im Umbruch und findet nicht zufällig ins Kulturhauptstadtjahr. Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel? In Paris nehmen Napoleon III. und sein Präfekt Georges Eugène Haussmann Mitte des 19. Jahrhunderts eine der größten städtebaulichen Umbaumaßnahmen der Welt in Angriff. 25 000 Häuser werden abgerissen, 40 000 neu gebaut, Boulevards werden breiter, Grünanlagen größer, die alte Stadt aber verschwindet fast vollständig. Die erste Metropole der Moderne, von Cholera-Epidemien und Barrikaden-Kämpfen geschwächt, rüstet sich für die neue Zeit: mit neuer Kanalisation, breiten Verkehrswegen, steigenden Einwohnerzahlen.
Und die Künstler begleiten den Umbauprozess mit Interesse, ziehen auf den Montmartre, wo die Mieten noch erschwinglich sind. Sie schlendern über die neu angelegten Trottoirs, sitzen in einem der 27 000 Cafés und beobachten den Bau von Sacre-Coeur. Van Gogh blickt vom Montmartre aus auf ein Häusermeer mit Schornsteinen und Windmühle. Und Matisse malt von seiner Wohnung am Seine-Ufer aus Notre-Dame.
Noch ist Paris eine Großstadt mit Kleingärten , aber die Industrialisierung lässt sich nicht aufhalten. Signacs pointillistisch heiter getupfte Seine-ufer-Ansicht zeigt schon den ersten Gasometer, die Kräne und Schornsteine spiegeln Paris als Zentrum des Fortschritts, während die Fotografie nicht nur die Errungenschaften der neuen Zeit, sondern auch die Schattenseiten festhält. Eugène Atgets Bilder vom alten Paris werden zur meisterhaften Dokumentation eines nicht nur vom Dichter Charles Baudelaire wehmütig beschriebenen Wandels. Da ist Paris nicht nur die Weltausstellungsstadt mit Eiffelturm, sondern ein menschenleerer Ort mit aufgerissenen Pflastersteinen und schäbigen Vorort-Verschlägen. Arm und überhaupt nicht sexy.
Aber auch die Maler begleiten den Wandel nicht nur mit wohlfeiler Bebilderung. Gustave Caillebottes „Straße in Paris, an einem Regentag”, ein Hauptwerk der Schau, ist ein verstörend nüchternes, bitterkaltes Stadtpanorama mit schwarzen Regenschirmen. Und Jules Adlers blickt schon auf die Verlierer des Veränderungsprozesses mit ihrer ins Gesicht geschriebenen Resignation. Die Schau endet mit einer monumentalen Nachtansicht vom nun elektrisch erleuchteten Paris und André Devambes „Angriff”, einem Demonstrationsbild, wie aus Kreuzberg zitiert.
Die Metropole wächst und mit ihr die Spannungen, denn auch eine städtische Planungsgroßtat hat ihren Preis. Haussmann hinterließ der Stadt Paris nach seiner Entlassung 1870 einen Milliarden-Schuldenberg, der erst 1929 abgetragen war. Metropolenträume können teuer kommen.