Berlin/Essen.

Abgestürzt ist er schon oft, gerne auch öffentlich. Jetzt steht Gunter Gabriel wieder, auf der Bühne: In Berlin spielt er sein Vorbild Johnny Cash, und das Publikum kommt - vielleicht auch, um Gabriel dabei zuzusehen, wie er „wieder mal auf die Schnauze fällt“.

Manchmal steht er da, steht irgendwo in der Nähe des Berliner Renaissance-Theaters und staunt. Weil da oft schon früh am Nachmittag Leute kommen und Karten wollen. Stunden, bevor die Vorstellung beginnt. Die Vorstellung mit ihm. Mit Gunter Gabriel. In der Rolle von Johnny Cash. „Ich kann das gar nicht glauben.“

Das können viele nicht. Weil Gabriel für sie lange Zeit ein Name aus der Vergangenheit war. Kein Name mit Zukunft. Einer der in den 1970ern Millionen mit Country-Songs über Trucker und Cowboys verdiente. Und das Geld mit beiden Händen unter das Volk brachte. Bis es weg war, ausgegeben für Frauen und Alkohol oder versenkt in windigen Bauherrenmodellen. „Zeitweise“, sagt Gabriel, „hatte ich 500 000 Euro Schulden.“

Im Wohnwagen hat er viele Jahre gelebt. Mal hier, mal dort. Oft betrunken, stets gereizt und immer wieder im Streit mit diversen Ehefrauen. Ohne Schallplattenvertrag, aber mit Selbstmordgedanken. „Ich bin“, sagt er heute „in jeden Scheißhaufen reingetreten, der sich mir bot.“

„Wohnzimmer-Tournee“ für 1000 Euro

Doch dann wendet sich das Blatt. Im Januar 2007 wird Gabriel im der NDR-Talkshow „Herman & Tietjen“ vor laufender Kamera auf seine Schulden angesprochen. Da hat er die Schnauze voll. Gabriel greift zu einem Zettel, kritzelt seine Privatnummer darauf und hält ihn hoch. „Für 1000 Euro spiele ich bei meinen Fans zu Hause“, sagt er. Als das Wochenende vorbei ist, sind rund 2000 Anrufe eingegangen und Gabriel beginnt, was er „Wohnzimmer-Tournee“ nennt. „Die läuft immer noch.“

Als er eines Tages bei seinen Fahrten Pause macht an der Autobahnraststätte Geiselwind, da wird Gabriel angesprochen. „Hör auf mit den alten Sachen, spiel lieber Cover-Versionen großer Songs“, rät ihm der Münchner Geschäftsmann Werner von Moltke. Und dass man doch mal was zusammen machen müsse. Ein paar Monate später erscheint eine neue CD. „Sohn aus dem Volk“ heißt sie und Gabriel singt darauf Lieder von David Bowie, Peter Fox. Und natürlich von Johnny Cash, seinem Freund und Vorbild. „Ich habe die gleiche Leidenschaft wie Johnny.“

„Cowboy, Rebell, Patriot - das trifft alles auch auf mich zu“

Vielleicht wird ihm deshalb die Hauptrolle angeboten in diesem Theaterstück über den „Mann in Schwarz“. Zunächst zögert er. Die Musik ist nicht das Problem. „Ich bin ja in den Songs von Johnny zu Hause“. Aber Gabriel fühlt sich nicht zum Schauspieler berufen. Und auch mit Fremdsprachen hat er so seine Schwierigkeiten. „30 Songs mit englischen Texten auswendig lernen, das ist eigentlich nicht mein Ding.“ Trotzdem sagt er schließlich zu. Weil eine Tochter ihn auffordert: „Mach das.“ Vor allem aber, weil Gabriel offenbar glaubt, dass es niemand anders besser machen kann, als er. „Ich kenne die Bedeutung von Cash.“

Schließlich hat er ihn noch getroffen, damals in Nashville - kurz vor Cashs Tod. Als er die alten Hits des Amerikaners auf Deutsch einspielte. Und Brüder im Geiste, das sind sie nach Gabriels Einschätzung schon lange. Erst ganz oben, dann ganz unten und doch immer wieder aufgestanden. „Cowboy, Rebell, Patriot, das trifft alles auch auf mich zu.“

Dreigeteilter Erfolg

Wer bisher gespottet hat über solche Sätze, der schweigt mittlerweile. Denn die Kritiken, die Gabriel als Cash erntet, sind teilweise euphorisch. Auch weil Gabriel dem Original erschreckend nahe kommt. Trotz der typisch engen Johnny Cash-Hemden und einer Perücke nicht unbedingt äußerlich. Aber in Mimik und Gestik. Und in der Art zu singen und Gitarre zu spielen. Ausverkauft sind die meisten Vorstellungen bis zum 21. September. Und so groß ist die Nachfrage, dass Gunter Gabriel mittlerweile für 30 weitere Vorstellungen unterschrieben hat. „Im Januar 2011 geht es weiter.“

„Überrascht“ von diesem Erfolg sei er gewesen, gibt der gebürtige Westfale zu. Deshalb hat er sich Gedanken gemacht, warum die Leute ins Theater kommen. „Ein Drittel will Johnny Cash sehen“, glaubt er. „Ein Drittel Gunter Gabriel und ein Drittel Gunter Gabriel, der wieder mal auf die Schnauze fällt.“

Letztere, hat der Sänger beschlossen, will er enttäuschen.