„Wir brauchen alle Vorbilder. Mein eigener Vater war ein Arschloch, aber die Musik hat mich gerettet.“ Die ersten Worte von Gunter Gabriel waren bewusst gewählt, als er am Freitag den Speisesaal der Jugendarrestanstalt betrat.
Nicht als Lehrer wollte der Countrysänger vor die Jugendlichen treten, sondern als Vorbild, das selbst oft genug im Leben gescheitert ist. Der Vater? Ein Schläger. Die Mutter? Früh verstorben. Depressionen, Gewaltdelikte, der finanzielle Ruin und am Ende die Obdachlosigkeit. Oft genug ist Gunter Gabriel in Negativschlagzeilen geraten. Jedoch sei das alles Vergangenheit. „Ich habe viel Mist gebaut früher“, erklärte er den Jugendlichen „und doch habe ich es immer wieder auf die Beine geschafft. Wartet nicht auf euer Glück, nehmt euer Schicksal selbst in die Hand.“
Lieder von Johnny Cash
Nicht mit Liebesliedern, sondern mit Liedern von Johnny Cash versuchte Gabriel die Jugendlichen zu erreichen. Sie erzählen die Geschichte von Menschen, die einen Großteil ihres Leben im Gefängnis verbrachten, denen immer wieder vor den Kopf gestoßen wurde und die es doch wieder zurück in den Alltag geschafft haben. „Johnny Cash war auch im Gefängnis. Er ist sich aber immer treu geblieben“, erläuterte der 70-Jährige. „Er hat mir Halt gegeben, wenn ich Halt brauchte. Er war mein Vorbild.“
Schließlich wollte Gabriel aber nicht nur von seinen Lebenserfahrungen berichten, sondern die Jugendlichen auch selbst zum Handeln bringen. Aktivität war das Stichwort: „Wenn wir die Macht der Musik spüren wollen, müssen wir sie selbst produzieren.“
Also hatte der Countrymusiker gleich zwei weitere Gitarren im Gepäck, die er anschließend sogar der Arrestanstalt vermachte. Mit Begeisterung und Herzblut zeigte er den Jugendlichen, dass mit nur drei Tönen gleich ein ganzes Lied zusammengestellt werden kann. „Fetzig“ musste es sein und nicht so „wie die aktuellen Poplieder von Mark Medlock und Dieter Bohlen“, sagte er. Am Ende sollten sie immer einen Bezug zum realen Leben bewahren.
Und dieses Leben bestehe nach Meinung des 70-Jährigen nicht nur aus Geld und Erfolg. „Die Welt da draußen ist viel zu geldorientiert“, kritisierte Gabriel. „Ich lebe nicht für Geld, sondern für meine Songs und in gleicher Weise für meine Wahrhaftigkeit.“
Es war eine Erkenntnis, die bei den Jugendlichen Eindruck machte. Gut gestimmt ließen sie sich auf die Musik von Johnny Cash und Gunter Gabriel ein. „Eigentlich gehört sie ja gar nicht mehr zum Musikgeschmack der heutigen Jugend“, erklärte Sozialpädagogin Sandra Gerloff. Als Betreuerin der Sozialaktivitäten in der Arrestanstalt ist sie bei einem Konzert auf Gunter Gabriel aufmerksam geworden. Kurzerhand lud sie ihn ein, nach Bottrop zu kommen. „Und ich habe zugesagt“, erwiderte der Countrysänger fröhlich. Für ihn sei es ein Luxus, den er sich gönnt. „Wenn ich auf so einfachem Wege helfen kann, tue ich das gerne.“
Und doch mussten sich die Jugendlichen ein wenig auf Gabriels Besuch vorbereiten. Mit DVDs zu Johnny Cash und Gabriels Biografie. Am Ende sei es aber immer noch jedem selbst überlassen, ob er etwas aus dem Angebot macht oder nicht. „Ich kann die Person nicht ändern“, sagte Gabriel zum Schluss, „ich kann nur Impulse aus meinem eigenen Leben bieten.“