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Der Wechsel von Harald Schmidt zurück zu Sat.1 überrascht die ARD-Intendanten kalt, als sie am Montag ihr neues Programmschema festzurren wollen. Aber was erhofft sich der Moderator bei den Privaten?

Wer maximale Aufmerksamkeit will, braucht ein gutes Gefühl für den richtigen Zeitpunkt. Harald Schmidt hat es. Die ARD-Intendanten hatten am Montag gerade begonnen, ihr neues Programmschema festzuzurren, da sprengte eine Meldung die Runde: “Dirty Harry” geht zurück zu seinem einstigen Stammsender Sat.1.

Den 53-jährigen Schwarzhumoristen hat, so scheint es, dieselbe Krankheit gepackt wie seinen ein Jahr älteren Kollegen Günther Jauch: die Midlife-Crisis. Beide Fernseholympiker wollen noch mal was Neues machen, bevor der televisionäre Ruhestand dreut, wenn auch in entgegengesetzter Fahrrichtrichtung. Jauch wird wieder öffentlich-rechtlich, Schmidt privatisiert. Und noch etwas: Während das Erste Quoten-Kaiser Jauch neben der Königsdisziplin Polit-Talk mit einem fürstlichen Salär lockte, schlägt Harald Schmidt offensichtlich ein neues Kapitel seiner Lebensgeschichte mit einem alten Konzept auf.

Das deutete sein Manager Fred Kogel an. Bei Sat.1, ließ er sich entlocken, wolle der Spottvater des deutschen Fernsehkabaretts zurück zu seinen Wurzeln. Dazu gehören Stand-up-Gags und Studioaktionen, Gäste und, natürlich, seine Live-Band.

Die Gags riechen immer ein bisschen nach Hölle

Damit hatte sich Mister Sarkasmus in den Neuzigern einen Ruf gemacht. Als einziger deutscher Fernsehmacher hatte der Mann aus dem bayerischen Neu-Ulm verstanden, dem amerikanischen Late-Talk eines David Letterman einen deutschen Akzent zu verpassen. Unverbindliche Wohlfühl-Runden waren nie das Ding von Harald Schmidt. Sobald der Lange mit der einstmals dunklen Tolle das Studio betrat, hieß es: Spott an. Er stand in direkter Konkurrenz zu Schwefelsäure : Die Gags des gläubigen Katholiken riechen immer ein bisschen nach Hölle oder doch zumindest nach Fegerfeuer. Dazu kommt: Schmidts-Schnauze trifft mit der Präzision eines Scharfschützen, der noch aus 1000 Metern Entfernung eine Cola-Dose perforiert. Seine spätabendliche, werktägliche Dauerpräsenz war die böse Antwort des Privatfernsehens auf seichte Gute-Nacht-Geschichten. Seine Fans bescheinigten Schmidts Humor eine krampflösende, gerade therapeutische Wirkung.

Allerdings verlor Schmidt nach acht Jahren bei Sat.1 die Spott-Lust . 2003 warf Deutschlands brillantester Zyniker hin, weil der damalige Sat.1-Käufer Haim Saban “Dirty Harrys” Förderer Martin Hoffmann als Senderchef kurzerhand entlassen hatte - und Schmidts Vertragsverlängerung in der Schwebe hing.

Anschließend gönnte sich Schmidt eine kreative Pause, feierte mit Kleinkunst große Erfolge und reiste um die Welt.

Zurück in der Heimat, 2004, landete er einen Coup. Er ließ sich der ergraute Wolf vom Ersten locken und den öffentlich-rechtlichen Senderverbund frohlocken. Der damalige Unterhaltungswart Günter Struve hatte ihn mit einem Millionenvertrag geködert.

Hohe Erwartungen, niedrige Quoten bei der ARD

Richtig glücklich wurden beide Seiten jedoch nie miteinander. Die Erwartungen der ARD-Granden an den teuren Einkauf waren hoch, seine Quoten jedoch eher niedrig. Kritik kam auf. Kein Wunder, dass Schmidt immer wieder mal andeutete, dass der Berufshumor ihm keinen rechten Spaß mehr mache. Die langen Pausen brauche er, vertraute er der “Zeit“ an, “um vom Fernsehen zu entgiften. Es ist quälend”.

Ein neues Konzept musste her, und Jung-Zyniker Oliver Pocher sollte es an Schmidts Seite 2007 richten. Doch das Gegenteil war der Fall: Pocher näherte sich seiner Grenze von oben. Auf Ballhöhe mit seinem Lehrmeister war er bestenfalls als Parodist von Oliver Kahn, der sich damals noch als Lautsprecher vom FC Bayern perfekt als Watschenmann eignete. Sonst passte der 32-jährige Spottvogel so gut zu seinem Chef wie Fußballschuhe zum Maßanzug. Als Pocher 2009 ging, warf ihm Schmidt kaum ein gutes Wort hinterher.

Und jetzt ist für den Zuchtmeister des deutschen Humors beim Ersten endgültig Schluss mit lustig. Die Meldung traf Programmchef Volker Herres wie ein Keulenhieb: “Es war geplant, über eine Fortsetzung in den nächsten Wochen zu sprechen. Den Entschluss von Harald Schmidt, ab Herbst 2011 zu Sat.1 zu wechseln, bedauern wir.“

Doch fürs Erste bleibt er der ARD noch erhalten. Am Donnerstag nimmt der bekennende Hypochonder wieder seine Arbeit auf.