Los Angeles. .

Tom Jones wird am Montag 70 Jahre alt. Einst war er der „Tiger“; da waren die Haare noch schwarz und die Frauen verrückt nach ihm. Heute ähnelt er nach eigenen Angaben eher Santa Claus.

Man weiß nie so genau, wie man ihn anreden soll. Früher haben sie ihn „Tiger” genannt. Früher, als die Haare noch schwarz waren und die Frauen verrückt nach ihm. Als sie ihm bei jedem Konzert Slips und Büstenhalter auf die Bühne geworfen haben. So viele Slips und Büstenhalter, dass es am Ende seiner Show aussah wie in einem Dessousladen beim Sommerschlussverkauf.

Heute ist das lichte Haar ergraut und sein Träger hat sich schon mal darüber beschwert, dass die Unterwäsche nur eingeschweißt in Plastiktüten auf ihn zufliegt. „Beleidigend“, findet er das, hat er mal in einem Interview gesagt. Deshalb sagen wir vorläufig lieber Tom. So heißt er ja auch. „Tom Woodward” steht in seinem Pass, der belegt, dass der Mann heute 70 Jahre alt wird. „Tom Jones” auf seinen Platten, von denen er in den letzten 45 Jahren mehr als 100 Millionen verkauft hat.

Das ist nicht schlecht für einen Mann, den der Sachbearbeiter eines südwalisischen Arbeitsamtes einst „arbeitsscheu” genannt hat – ohne Engagement für einen „richtigen Job“ und auf der Suche nach etwas, „wo er sich nicht die Fingernägel dreckig macht”.

Sexsymbol Tom Jones

23 Jahre ist der Sohn eines Bergarbeiters aus Pontypridd damals und hat sich über Monate als Hilfsarbeiter auf dem Bau und Vertreter für Staubsauger durchs Leben geschlagen. In seiner Freizeit steht er auf der Bühne, tingelt mit seiner Band, den Senators, durch die Clubs. Erst in der Provinz, später auch in London. Da wird er entdeckt. Zwangsläufig. Denn er hat eine unglaubliche Stimme, singt unverkennbar. Bis heute. Bereits die zweite Single „It’s Not Unusual” wird ein Nummer-Eins-Hit. Er darf die Titelmusik des nächsten James-Bond-Films singen. „Thunderball” (Feuerball) macht ihn endgültig zum Superstar.

Und zum Sexsymbol jener Tage. Frauen reißen sich fast die knappen Kleider vom Leib, wenn er die Bühne betritt. Und Jones tut nichts, um sie daran zu hindern. Hemden trägt er gerne offen bis zum Gürtel. Am Arm blinkt eine dicke Uhr, am Hals viel Gold über der dicht behaarten Brust. Nur Elvis kann da noch mithalten. „Er hatte den ausgeprägten Hüftschwung, dafür saßen meine Hosen enger. Sexy waren wir beide“, sagt Tom Jones über sich und seinen guten Freund.

Er schwärmt von „Delilah“, fragt „What’s New Pussycat“, sehnt sich nach dem „Green, Green Grass Of Home“ und fordert „Help Yourself“ – fünf Jahre landet Jones Hit auf Hit. Dann geht er nach Las Vegas, weil er in England 98 Prozent Einkommenssteuer zahlen muss. In den Casinos am Strip wird er in den 1970er-Jahren gefeiert, die Frauen reißen sich . . . Aber das hatten wir schon. Jones lässt nichts anbrennen. Aber bis heute ist er mit Ehefrau Melinda zusammen, die er bereits als Teenager geheiratet hat. Und stets ist er fit, wenn sich der Vorhang hebt.

Dann kam „Sex Bomb“

Doch Anfang der 1980er-Jahre werden seine Glitzershows in der Glücksspielstadt immer schlechter besucht. Keine Plattenfirma will Jones mehr einen Vertrag geben. „Überholt” nennen sie seine Musik. Bis er 1988 mit der Band „Art Of Noise” einen Song von Prince covert. „Kiss” ist der Beginn seiner zweiten Karriere, die knapp zehn Jahre später mit „Sex Bomb” ihren vorläufigen Höhepunkt findet, dem Lied, das noch immer jede Ü30-Party in Schwung bringt. Singen tut der inzwischen in Los Angeles lebende Star dieses Lied noch heute auf seinen Konzerten, reden möchte er darüber aber nicht mehr. „Ich möchte mich weiterentwickeln”, sagt er. Und überhaupt sei er ja nun 70.

Mit seinem Alter scheint er sich arrangiert zu haben. Nichts ist mehr zu hören von Schönheitsoperationen, über die früher viel gemunkelt wurde. Ja nicht einmal die Haare färbt er sich noch dunkel. „Unnatürlich“ wirke das, sagt er. Dann nimmt er lieber in Kauf, dass er „aussieht wie Santa Claus“, wenn er auf der Bühne steht. Und da will er noch stehen, „so lange mich die Beine tragen“.

Bereits 2006 hat die Queen ihn zum Ritter geschlagen. Seitdem fällt die Anrede leichter. „Sir“ passt immer.