Mülheim. Elfriede Jelinek wurde mit dem Mülheimer Dramatikerpreis 2009 ausgezeichnet. Damit würdigt die fünfköpfige Jury ihre Inszenierung des Stückes "Rechnitz (Der Würgeengel)" an den Münchner Kammerspielen. Ein Interview mit der Literatur-Nobelpreisträgerin.

Prosa-Autorin Elfriede Jelinek. (Foto:ddp)
Prosa-Autorin Elfriede Jelinek. (Foto:ddp) © ddp

Nach 13 Teilnahmen in Mülheim und dem jetzt dritten Sieg - was bedeutet einer Nobelpreisträgerin dieser Preis?

Elfriede Jelinek: Der Preis bedeutet mir sehr viel. Vor allem, weil ich ihn für einen aktuellen Text bekommen habe, der mir sozusagen noch auf den Nägeln brennt.

Glauben Sie, dass der Preis dem Anliegen gerade von von „Rechnitz” einen größeren Nachdruck verleihen kann?

Jelinek: Das wäre schön, ich bezweifle es aber sehr. Derzeit läuft die politische Debatte in Österreich etwas aus dem Ruder (anläßlich der EU-Wahl), die extreme Rechte ist unglaublich stark geworden, und Künstlerinnen und Künstler, die sich dagegen auflehnen, werden öffentlich diskreditiert. Das Traurige daran ist, daß damit auch ihr Anliegen diskreditiert wird. Von den Ereignissen in Ebensee (Nebenlager von Mauthausen), wo Jugendliche ehemalige Insassen beschimpft und beleidigt haben, muß ich da gar nicht erst sprechen. Ich habe den Eindruck, engagierte Künstler sind in Österreich derzeit im besten Fall nur lächerliche Figuren, auf die man nicht hört.

Wie bewerten Sie die Arbeit der Regisseure mit Ihren Texten? Würden Sie soweit gehen zu sagen, dass Jelinek-Stücke erst im Zusammenspiel mit deren Phantasie entstehen?

Jelinek: Das würde ich genau so sehen. Ich habe immer gesagt, daß der Regisseur mein Co-Autor ist. Deshalb hat in diesem Fall auch Jossi Wieler einen Teil des Preises verdient. Ich bin überzeugt davon, daß am Theater die Arbeit des Regisseurs (und natürlich der SchauspielerInnen und der übrigen Mitwirkenden) genauso wichtig ist wie die Arbeit des Autors.

Bedauern Sie es, dass Ihre Arbeiten nach den stets als genuin geltenden Uraufführungen so gut wie nicht nachgespielt werden?

Jelinek: Ja, das tut mir schon leid. Aber ich muß mich wohl damit abfinden, daß ich eine Autorin für eine Minderheit bin, die sich für diese Art von sprachzentriertem Theater eben interessiert. Das ist nicht jedermanns Sache.

Verstehen Sie jemanden wie Botho Strauß, der sein Stück aus der Konkurrenz zurückzieht, um Nachwuchsautoren eine größere Chance einzuräumen? Oder anders ausgedrückt: Sollte es künftig in Mülheim möglicherweise zwei Wettbewerbe geben, einen für die Etablierten, einen für den Nachwuchs?

Jelinek: Darüber habe ich lange nachgedacht, und natürlich hat der Standpunkt von Botho Strauß (und auch von Handke) etwas für sich. Ich denke aber, daß es unfair wäre, die Teilnehmer in Arrivierte und Nachwuchs zu unterteilen. Wenn eine Stadt wie Mülheim schon so großzügig ist, so etwas auf die Beine zu stellen, eine Jury zu suchen, so viele Stücke aufzuführen, einen Preis zu stiften, etc., dann wäre es hochmütig, sich dem einfach zu entziehen, weil man sich vielleicht nicht an den jungen AutorInnen messen lassen will.