Essen. .
Das Ruhrgebiet gehört nach New York zu den Regionen mit der größten Theaterdichte . Noch - denn im Ruhrpott droht der Theaterkollaps. Viele Kommunen müssen ihre Kulturetats kürzen, was die Häuser zu tiefen Einschnitten zwingt. Betriebsräte und Mitarbeiter schlagen lautstark Alarm.
Mitten im Kulturhauptstadtjahr sorgen sich die Bürger im Ruhrgebiet um ihre Theater und Opernhäuser. Hoch verschuldete Kommunen sehen sich gezwungen, ihre Kulturetats drastisch zu kürzen. Eintrittspreise werden erhöht, Programme ausgedünnt - und einzelnen Sparten, sogar kompletten Häusern droht das Aus. Millionendefizite, Milliardenschulden, nicht genehmigte Nothaushalte: Die Finanzaufsicht zwingt die Städte zwischen Rhein und Ruhr zum rigorosen Sparen. Gekürzt werden müssen insbesondere freiwillige Leistungen wie Kulturzuschüsse.
„Eine Schließung des Aalto-Musiktheaters ist da unvermeidbar“
Die Theaterkrise trifft Adil Laraki gleich doppelt. Als Betriebsrat und Mitarbeiter der Theater und Philharmonie (TUP) GmbH Essen ist er selbst betroffen. Als Landeschef der Genossenschaft Deutscher Bühnen weiß er, dass Essen kein Einzelfall in der einstigen Kohleregion ist, die gerade auf den Standortfaktor Kultur setzte, um den Strukturwandel voranzubringen. Essens Stadtkämmerer Lars Martin Klieve (CDU) sagt: „Wir kommen um Einschnitte nicht herum“. Die Zuschüsse für die TUP würden um acht Millionen Euro gekappt. Nach Rechnung des Betriebsrats hingegen bleiben dem TUP künftig sogar 15 Millionen Euro weniger. „Eine Schließung des Aalto-Musiktheaters ist da unvermeidbar“, befürchtet Adil Laraki.
In Wuppertal sind Oberbürgermeister und Kämmerer schon einen Schritt weiter. Sie wollen das Schauspielhaus bis 2013 schließen, wie Sprecherin Kathrin Petersen sagt. Schließlich bleibe ja noch das Opernhaus erhalten. Über das Aus entscheide im Mai das Parlament. Für Ende März ruft darum der Deutsche Bühnenverband zu einer Großkundgebung an die Wupper. Bereits im Januar hatten Tausende Bürger gegen die beabsichtigte Schließung demonstriert.
„Fatal für die Zukunft“
In Bochum mussten bereits die Baupläne für eine Symphonie gestoppt werden. Kulturamtsleiter Michael Townsend (SPD) weist aber darauf hin, dass die Bürger bereits 12,3 Millionen Euro für den Bau gespendet hätten. „Ein solches Bürgerengagement zurückzuweisen, wäre fatal für die Zukunft.“ Eine Schließung von Häusern drohe momentan aber nicht, sagt Townsend. Allerdings könnte es sein, dass die Finanzaufsicht noch mehr Einsparungen verlangt, bis zu 150 Millionen Euro statt der anvisierten 100 Millionen Euro. „Dann müssten auch wir Kultureinrichtungen schließen“, räumt der Kulturdezernent ein.
In Oberhausen bleibe die Schließung von Theatern im Stadtrat „ein Tabu“, versicherte Sprecher Rainer Suhr. Bereits 1993 habe man das Musiktheater dichtmachen müssen. Natürlich müsse der Kulturbereich einen Beitrag zur Sanierung der Stadtfinanzen leisten. Vorerst seien unter anderem höhere Volkshochschulgebühren und Einschränkungen in der Stadtbibliothek geplant.
Deutscher Bühnenverband sieht den Bund in der Pflicht
Ein Ausweg aus der Misere wäre nach Ansicht des Kulturrats NRW, Kultur als „verpflichtende Selbstverwaltungsaufgabe“ der Kommunen einzustufen und nicht als „freiwillige Leistung“. Zudem sei ein Landesgesetz nötig, um die Angebote auch in Kommunen mit Nothaushalt zu gewährleisten, sagte der Vorsitzende Gerhart Baum. Der Deutsche Bühnenverband sieht den Bund in der Pflicht. „Wir brauchen ein Hilfsprogramm, ähnlich wie für die Pleitebanken“, forderte Geschäftsführer Rolf Bolwin. „Die kulturelle und soziale Infrastruktur der Kommunen muss auch in Krisenzeiten ausreichend finanziert sein.“
Der unter anderem für die Sparvorgaben verantwortliche Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) wehrt sich gegen das Image vom Totengräber der Theater. Er wolle eine „kulturelle Grundversorgung“ erhalten. Kooperationen wie in Mönchengladbach und Krefeld könnten hilfreich sein. „Wir müssen in allen Bereichen sparen, auch in der Kultur“, betonte er. Von den Kulturmachern erwarte er daher konstruktive Beiträge. „Viele sind leider nicht sehr kooperativ“, kritisierte Büssow. (ddp)