Neuss. .

Wolfgang Hohlbein schreibt seit 30 Jahren fantastische Fluchtfantasien für Millionen Leser. Sein neuestes Werk ist ein Vampir-Roman. Wir trafen den umtriebigen Autor in seinem Haus in Neuss.

Draußen flirren die Felder des linken Niederrheins. Drinnen im düsteren Flur guckt ein Drachenkopf aus der Wand, entspringen Fantasiewesen dunklen Holzmöbeln, tummeln sich Elfen im Blumentopf. Es ist drei Uhr nachmittags. Der Autor Wolfgang Hohlbein – knochig, lange Haare, Bart, riesige Brille – frühstückt einen Kaffee und eine Zigarette.

Es wäre leicht, das Klischee zu umarmen. Die Nase zu rümpfen über einen, der Fluchtfantasien für die Massen formuliert. Leicht wär’s, den hintergrundmusizierenden, leinwandgroßen Flachbildschirm zu belächeln, die hechelnden Hunde Max und Moritz. Über eine Ehefrau zu staunen, die dem Schreiber routinierter Spannungsbögen des nachts „Kaffee, Bütterkes und Ideen” serviert, während dieser den „Märchenmond” scheinen lässt, das „Runenschwert” schwingen lässt und „Elfenblut” fließen...

Doch Heike und Wolfgang Hohlbein sind in der Tat ein erfolgreiches Familienunternehmen, dessen Tag-, nein Nachtwerk sich laut Verlag bemessen lässt in 37 Millionen verkaufter Bücher weltweit. Und auch das nächtliche Schreiben begründet sich rational. Anfangs, in den 80ern, hatten die Hohlbeins eine kleine Wohnung und zwei kleine Kinder (die ersten von insgesamt sechs), „da waren dies die ruhigsten Stunden...“ Wolfgang Hohlbein lächelt. Er spricht schnell, so wie er denkt und schreibt: fünf handschriftliche Seiten nächtlich. Seit 30 Jahren!

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Von DerWesten

Das jüngste Werk ist ein Versuch in einem alten Genre: „Wir sind die Nacht”, ein Buch zu einem Vampirfilm, der im Oktober ins Kino kommt. Schon auf den ersten Seiten fällt auf, dass Hohlbeins Vampirinnen ihr Handy beinahe ebenso lieben wie einen Schluck roten Saftes. „Es geht mir in der derzeitigen Flut der Vampirromane so ein bisschen auf die Nerven”, sagt Hohlbein und zündet sich die nächste Zigarette an, „dass da zwar Handys und moderne Technik auch irgendwie benutzt werden, weil man nicht glaubhaft erklären kann, warum Vampire mit dem Pferdefuhrwerk fahren sollten – aber man spürt, dass das eigentlich nicht dazugehört.” Keine fünf Sätze von hier sind wir beim neuen Apple-Handy und der umstrittenen Ortung seiner Benutzer. „Das ist der wahre Horror”, sagt Wolfgang Hohlbein. Ein Fantasy-Autor, der ganz von dieser Welt ist: Vielleicht ist dies das Geheimnis?

Flucht in Fantasiewelten

1953 wurde Wolfgang Hohlbein in Weimar geboren; er wuchs auf in Krefeld. Die Eltern drängten ihn, eine Ausbildung zu machen; er wurde „der wahrscheinlich schlechteste Industriekaufmann aller Zeiten”. Aus der verhassten Realität aber flüchtete er sich in Fantasiewelten. Erste Stories veröffentlichte er in Fan-Magazinen, dann gewann er den Wettbewerb eines Verlages: „Der Herr der Ringe hatte damals seinen ersten großen Erfolg in Deutschland, und die Verlage merkten, dass man mit Fantasy Geld verdienen kann.” Für Wolfgang Hohlbein bedeutete Tolkien vor allem: eine „märchenhafte und tiefgründige” Ebene, die ihm zuvor in der Phantastik fehlte – „da ging es eher um halbnackte Barbaren, die sich in einer Grube den Schädel einschlugen”.

Phantasie beweist der fantastische Autor auch in einer Vermarktung, die ganz im Hier und Jetzt verwurzelt ist und Hohlbeins Bücher auf jede erdenkliche Weise beackert: Von der True Metal Band Manowar lässt er Songs aus der Asgard-Saga spielen; demnächst gibt es in Kaarst ein Musical zur Kinderbuchserie über die Wolf-Gäng. Der Mittelalterroman „Der Inquisitor” ist längst auch ein PC-Spiel. Eine Novelle schreibt Hohlbein exklusiv fürs Handy: „Wyrm” erzählt vom Weltuntergang – „Häuser rutschen ab, Menschen verschwinden. Ein Strudel unglaublicher Vorkommnisse droht David und Alina zu verschlingen, als sie sich dem Schrecken aus der Tiefe stellen.” Soweit der Plot der „Mobile Live Fantasy”.

Es ist später Nachmittag in Neuss, für Hohlbein beginnt nun die Arbeit. Am dunklen Eichentisch wird er fünf, sechs Seiten füllen in dieser Nacht, in kleiner, akkurater Handschrift. Antiquiert? Gar nicht. Die karierten Seiten liegen auf einem Klemmbrett, das Handschriften erkennt: Elfen und Orks kämpfen auf einem elektronischen Notizblock.