Essen. Papst Benedikt hat sich in Israel erneut den Erwartungen einer hyperkritischen Öffentlichkeit entzogen

Ein Fehler ist passiert, ein böses Wort rausgerutscht, und nach mehr oder weniger langer Bedenkzeit folgt die Entschuldigung, die - sofern sie aufrichtig ist - meistens angenommen wird. Im Privaten, unter Büro-Kollegen, im Straßenverkehr ist das eine wunderbare Einrichtung. Die Entschuldigung ist Zivilgesellschaft in ihrer einfachsten, aber ganz unentbehrlichen Form. Im Idealfall geht nach der klar bekundeten Einsicht alles auf Null, der Geschädigte ist befriedigt, der Übeltäter behält sein Gesicht. „Schwamm drüber”, heißt es dann gerne ebenso süffig wie präzise.

Funktioniert das auch in der Politik? Bei kleinen Vergehen durchaus. Bei den großen Menschheitsverbrechen wirkt die Entschuldigung jedoch schnell aufgesetzt und bekommt etwas seltsam Ritualhaftes. Der Anlass ist zu groß, das Wort „Entschuldigung” zu klein, zu banal, als dass es in diesen Fällen echte Befriedigung verleihen könnte. Das mag auch Papst Benedikt geleitet haben, als er anlässlich seines Israel-Besuchs in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem das erlösende Wort vermied, wohl wissend wie die Reaktion nach Lage der Dinge ausfallen muss. Denn die Öffentlichkeit liebt das Entschuldigungsritual, sie will sehen, wie die Mächtigen und Erhabenen sich klein machen, und das möglichst immer wieder.

Der Papst soll ein Mensch sein wie du und ich - ein urdemokratischer Impuls. Doch ist die katholische Kirche nun einmal keine demokratische Veranstaltung. Während der NS-Zeit hat der damalige Papst Pius unzweifelhaft ein schwaches Bild geboten, doch zur Wahrheit gehört eben auch: Die Kirche hat den Holocaust weder begangen noch gebilligt. Man muss das betonen, da derzeit zumindest unterschwellig ein anderer Eindruck entstehen könnte.

Dennoch: Würde der deutsche Papst die Gesetze der Mediengesellschaft beherzigen wollen, wäre er besser über das Stöckchen gesprungen, das ihm etwa der Zentralrat der Juden in Deutschland hingehalten hat. Er aber will nicht, weil er eben der Papst ist und kein Politiker. Eine Widerspenstigkeit, die man als Bruch mit dem Common Sense bedauern kann, doch wird sie mancher auch bewundern.

Das politische Bußritual wirft aber weitere Fragen auf: Kann man sich für eine wie immer geartete, auch nur indirekte Beteiligung am Holocaust überhaupt „entschuldigen”, für den Gulag in der Sowjetunion, für die Killing Fields in Kambodscha? Nein, so richtig geht das nicht. Auch das muntere Sorry, das US-Präsident Bill Clinton 1998 in Afrika für die Versklavung der Schwarzen entbot, wirkte 133 Jahre nach dem endgültigen Verbot der Sklaverei seltsam aus der Zeit gefallen.

Nicht nur in diesem Fall hatte es den Anschein, als entlastet die politische Entschuldigung den „Täter” letztlich mehr als den „Geschädigten”, wobei in den meisten Fällen ohnehin die eigentlich Handelnden nicht mehr unter den Lebenden sind.

Wofür man sich einmal entschuldigt hat, das darf einem danach eigentlich nicht länger vorgehalten werden. So mag mancher denken, der sich mit leichter Hand dem Bußritual unterwirft. Die Weltgeschichte kennt aber ohnehin kein „Schwamm drüber”. Vielleicht weiß der Papst das einfach besser.