Essen. Die Choreografin, Regisseurin und Autorin Judith Kuckart ist die 24. Trägerin des Literaturpreis Ruhr. Derzeit schreibt Kuckart an einem Libretto: "Carmen. Ein deutsches Musical" soll zwischen 1948 und 1955 spielen – im Ruhrgebiet.

Immer wieder spielen die Romane von Judith Kuckart vor der Kulisse des Ruhrgebiets – warum? „Das gibt Sicherheit”, sagt sie, „meine Geschichten sind ja erfunden, und diese Kulissen sind das Gewicht, das sie erdet, damit sie nicht abheben.”

Judith Kuckart, die mit ihrem jüngsten Roman „Die Verdächtige” für den Deutschen Buchpreis nominiert war, bekommt in diesem Jahr den Literaturpreis Ruhr – und das nicht nur, weil sie 1959 in Schwelm am äußersten Südrand der Region zur Welt kam und dann in Dortmund-Hörde aufgewachsen ist. Sie bekommt den mit 10 000 Euro dotierten Preis für Romane wie „Lenas Liebe”, der ebenso im Revier spielt wie Teile des Liebeskrimis „Die Verdächtige”, der soeben als Taschenbuch erschienen ist.

Eigenes Tanztheater

Judith Kuckart (c) Renate von Mangoldt
Judith Kuckart (c) Renate von Mangoldt © privat

Die 24. Trägerin des Literaturpreises, den der Regionalverband Ruhr (RVR) alljährlich vergibt, ist eine vielfältig schillernde Künstlerin. Zur Literatur kam sie spät, bevor 1990 ihr erster Roman „Die Wahl der Waffen” erschien, hatte sie schon ein eigenes Tanztheater („Skoronel”) gegründet. Was sie zum Tanz brachte, war die erste Begegnung mit Pina Bausch, da war sie 14 – „meine extremste ästhetische Erfahrung”.

Bis heute arbeitet die Autorin, die an der Folkwangschule Tanz studierte und heute in Zürich und Berlin lebt, als Choreografin und Regisseurin am Theater. Ende dieses Monats hat ihre nächste Inszenierung am Staatstheater Karlsruhe Premiere.

Judith Kuckarts Romane spielen meist in der Gegenwart, sie durchmessen aber oft die Geschichte der Bundesrepublik, samt der Schatten des Nationalsozialismus. Die Reise der Schauspielerin Magdalena, die ihre Karriere aufgegeben hat, führt in „Lenas Liebe” nach Polen, nach Auschwitz; und auch „Die schöne Frau”, wiederum mit einer Schauspielerin im Mittelpunkt, kreist um Schuld und Vergangenheit der Deutschen. Verglichen damit ist „Die Verdächtige” eine leichte Fingerübung: Auf einer Geisterbahn im Ruhrgebiet verschwindet ein Kirmesgänger spurlos, und ein Polizist, der aussieht wie George Clooney, macht sich auf die Suche. Derzeit schreibt sie übrigens an einem Libretto: „Carmen. Ein deutsches Musical” soll zwischen 1948 und 1955 spielen – im Ruhrgebiet.

„Schärfer, komischer”

Ja, sagt Judith Kuckart, es habe sich viel verändert im Revier; umso mehr falle ihr auf, dass die Menschen hier gleich geblieben seien: „Sie kommentieren die Welt schärfer, komischer und wärmer als andere. ” Sie fühle sich wohl in einer Reihe mit Preisträgern wie Ralf Rothmann, ließ sich die Autorin gestern in der Essener Buchhandlung „Proust” vernehmen, wo RVR-Direktor Heinz-Dieter Klink die Entscheidung bekanntgab.

Zusammen mit Judith Kuckart werden auch Mirko Kussin (Jg. 1974) aus Dortmund und Reinhard Strüven (Jg. 1966) aus Düsseldorf geehrt. Sie gewannen die beiden Förderpreise Ruhr, die mit jeweils 2550 Euro dotiert sind, bei einem Schreibwettbewerb: Mit Geschichten zum Thema „Kosmos Bahnhof” setzten sie sich gegen 141 Mitbewerber durch.

Der Eintritt zur Preisverleihung am 17. November im Wasserschloss Wittringen, Gladbeck, ist frei (Beginn: 19.30 Uhr).