Essen. Mit "Der bewegte Mann" hat Ralf König Deutschlands Heteros mit den schwulen Nachbarn bekannt gemacht, jetzt erzählt er bibeluntreu in Bildern von Adam, Eva und der Arche Noah. Die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen widmet König eine Ausstellung, mit DerWesten sprach er über Comics und Kirche.

Die einen bringt er zum Lachen, die anderen bringt er gegen sich auf. Dabei glaubt man Bildergeschichten-Erzähler Ralf König sofort, wenn er sagt, dass er nicht provozieren will. Aber seine Schwulengeschichten ("Der bewegte Mann", "Bullenklöten!") sind einigen zu, sagen wir mal, offenherzig, seine Versionen von Klassikern - Aristophanes ("Lysistrata") oder Shakespeare ("Jago") - zur respektlos und seine Interpretationen der Bibel in "Prototyp" und "Archetyp" zu blasphemisch. Nichts von alledem finden die Verantwortlichen der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen und widmen dem vielleicht "wichtigsten deutschen Comiczeichner" eine große Ausstellung: "Der Eros der Nasen". Im Gespräch mit DerWesten erzählt der 49-Jährige, der selbst den Mohammed-Karikaturenstreit karikierte, seit wann er nicht mehr an heilige Männer glaubt und warum Tabus gebrochen werden sollten.

In „Prototyp“ erzählen Sie Ihre Version des Sündenfalls – ist Ihnen eigentlich so gar nichts heilig?

Comics und Bücher

Eine Auswahl

SchwulComix, 1981 bis ’86

Kondom des Grauens, 1987

Der bewegte Mann, 1987

Lysistrata, 1987

Pretty Baby, 1988

Bis auf die Knochen, 1990

Bullenklöten!, 1992

Konrad und Paul, 1993

Jago, 1998

Wie die Karnickel, 2002

Dschinn Dschinn. Der Zauber des Schabbar, 2005

Hempels Sofa, 2007

Prototyp, 2008

Archetyp, 2009

Ralf König: Nein, heilig in dem Sinne, ist mir nichts. Ich finde, dass wir hier in diesen aufgeklärten – oder vermeintlich aufgeklärten – Breitengraden alles kritisieren dürfen sollten. Und gerade, wenn Leute irgendwas für heilig erklären - ihre Religion oder heilige Schriften oder ihre Gefühle - das ist ein Tabu, das muss man als Autor, als Schriftsteller, als Journalist, als Künstler nicht wirklich beachten. Die Geschichte vom Sündenfall, wenn’s jetzt um „Prototyp“ geht, vom Biss in den Apfel - ich finde, dass man sich darüber durchaus lustig machen darf. Oder sie auch kritisch hinterfragen darf. Denn es ist ja so nicht passiert – jemand, der mir erzählen will, das sei wirklich so gewesen und deshalb dürfe man darüber nicht spaßen - den kann ich nicht ernst nehmen. Das will ich auch nicht.

Sind Sie denn selber religiös?

König: Ich bin aufgewachsen im katholischen Ostwestfalen, in einem Dorf, in dem alles, was passierte, mit der Kirche zu tun hatte. Aber meine Eltern haben mich zum Glück ziemlich damit in Ruhe gelassen. Ich habe das in der Schule natürlich mitgekriegt, in den Schulmessen und bei der Kommunion und so. Aber ich war schon immer Skeptiker, schon als Kind. Es gab einen Aha-Moment, bei einer Nikolausfeier: Da musste man als Kind vortreten, sich beim Nikolaus auf den Schoß setzen und ein Gedicht erzählen. Das war natürlich sowieso Horror für ein Kind, aber als ich dann auf dem Schoß saß, guckte ich hoch und sah diese Gummibinder von diesem Wattebart und wusste nicht: Weiß jetzt nur ich, dass das nicht der Nikolaus ist? Oder wissen alle, dass das nicht der Nikolaus ist, und die wollen mich verarschen?

Heute kann man darüber lachen, aber das war eine ganz beängstigende Situation, fast wie in einem David Lynch-Film. Nach der Geschichte, das weiß ich noch ganz genau, hab’ ich nichts mehr geglaubt, was man mir von heiligen Männern erzählte. Ich weiß, dass in der Bibel – in jeder heiligen Schrift – sicherlich Wahrheiten stehen, die gut und richtig sind, aber ich kann heilige Schriften nicht als historische Wahrheiten sehen, sondern nur als Bild. Und ich habe Probleme mit Leuten, die von mir verlangen, dass ich da Respekt haben müsste. Das hab’ ich einfach nicht.

Dazu empfängt die katholische Kirche Schwule ja nicht direkt mit offenen Armen...

König: Das kommt noch dazu. Ich bin ein schwuler Mann und habe die Kirche immer als Feindbild gesehen. Wenn die Kirche das Sagen hätte, wenn wir nicht die Trennung von Kirche und Staat hätten, dann wäre es hier wie im Islam – Frauen, Ungläubige und Schwule stünden auf der Liste. Bei allen Diskussionen über Moral, über was sein darf und was nicht: Die Schwulen sind immer als Erste auf der Liste von dem, was Sünde ist, was nicht sein darf. Dass ich da kein freundschaftliches Verhältnis zur Kirche haben kann, ist doch klar.

Ich will gar nicht provozieren. Ich will auch niemandem seinen Glauben oder seine Gottvorstellung nehmen. Mein Ansatz ist ein anderer: Ich habe immer schon so viel mehr aus der Philosophie gezogen. Wenn ich klar haben wollte, worauf es ankommt im Leben, was wir wissen und was wir nicht wissen, dann war immer die Philosophie die bessere Antwort. In meinen Büchern, die sich mit Religion befassen, möchte ich Philosophie und Religion gegenüberstellen - und dann sollen die Leser selber entscheiden, was wohl lesenswerter ist. „Prototyp“ war das erste. Beim „Archetyp“, das Buch über die Arche Noah, das in diesen Tagen in die Buchläden kommt, da ist das nicht so stark, weil es sich nicht so anbot. Aber bei meinem dritten Buch wird es wieder so sein, da geht’s dann um den Apostel Paulus.

Für den "Archetyp" hagelte es bitterböse Kritiken

Sie erzählen Bildergeschichten über Islamismus, über Schwule und über christliche Theorie – sind Sie heftigen Angriffen ausgesetzt?

König: Heftig? Weiß ich nicht. „Prototyp“ hatte ich für zwei Wochen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; das ist ein Publikum das wahrscheinlich noch nie ein Buch von mir in der Hand hatte. Das ist natürlich wunderbar für mich gewesen, mal in so einem Umfeld zeichnen zu können. Die Redaktion und ich waren sehr erstaunt, wie viele böse E-Mails da kamen. Noch schlimmer war’s dann beim „Archetyp“, diese Geschichte von mir lief dann über drei Monate in der FAZ, und es hagelte bitterböse Kritiken: Das ginge überhaupt nicht, das Buch Genesis sei den Juden und den Christen heilig, und deshalb dürfe man das nicht so durch den Kakao ziehen.

Die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen sprach nachher schon von einer richtigen Kampagne. Das kommt aus einer bestimmten Ecke, und das ist auch sicherlich nicht die gesamte Christenheit hier – die Leute glauben halt und machen da nicht so ein Gedöns drum – aber es gibt immer religiöse Eiferer. Die gibt es nicht nur im Islam, die gibt es auch hier. Da war ich schon erstaunt, wie geballt diese unerfreulichen E-Mails kamen, das war schon heftig.

Es gibt allerdings auch viel positive Resonanz. Das hält sich so ungefähr die Waage.

Der Eros der Nasen

Die Ausstellung "Der Eros der Nasen" wird am 19. September um 19 Uhr in der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen eröffnet und ist dort bis 31. Januar zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr (montags geschlossen, außerdem am 24., 25. und 31. Dezember). Eintritt: 6,50 Euro, ermäßigt 3,50 Euro. Jeden Sonntag um 11.30 Uhr gibt es eine öffentliche Führung, die im Eintrittspreis inbegriffen ist.

Programm: Am Donnerstag, 8. Oktober, 18 Uhr, liest Ralf König aus "Archetyp". Am Freitag, 11. Dezember, um 18 Uhr gibt's ein Werkstattgespräch mit Ralf König.

Mal was ganz anderes: Sie sind jetzt im Museum – wie ist das denn?

König: (lacht) Das ist toll!

Ist das ein Traum für jemanden, der Comics zeichnet? Das ist ja nicht so der direkte Weg, ins Museum zu kommen...

König: Ich hab das nicht mal geträumt. Das war auch ein große Problem. Christine Vogt vom Museum war bei mir zu Hause und erwartete ein Atelier, aber ich hab’ ja nur so einen kleinen Schreibtisch. Ich habe irgendwann so einen Pappkarton aus der Ecke geholt, da waren die ganzen Originale drin, die knickten und gilbten so vor sich hin. Das Problem ist, dass meine Originale, wenn sie gedruckt waren, fast Altpapier waren. Ich kann froh sein, dass ich nicht alles weggeschmissen habe. Aber ganz Vieles habe ich nicht mehr, hab’s verschenkt, oder von Verlagen nicht zurückgefordert – ganz Vieles, was ich in Oberhausen gerne an die Wände gehängt hätte, ist einfach nicht mehr da.

Als ich die Räume sah in der Ludwig Galerie, die ja groß sind und weiß sind, und so schön seriös, so hell und so mondän in diesem Schloss, da war ich schon ein bisschen ehrfürchtig und dachte: Oh Gott, wie füllt man das denn mit diesen kleinen Zeichnungen? Denn meine Zeichnungen sind eins-zu-eins groß, und es gibt viele Sprechblasen zu lesen – die Leute müssen sich schon ein bisschen darauf einlassen, auch mal eine Geschichte lesen. Da habe ich mich bereit erklärt, für die Ausstellung ein paar große Bilder zu malen.

Das habe ich über den Sommer getan und habe gemerkt, dass ich überhaupt kein Maler bin. Das macht mir erstens keinen Spaß – ich finde, es ist reines Handwerk – und zweitens, so eine Knollennase, die habe ich in vier Sekunden gezeichnet, aber so ein großes Gemälde... Ich bin so froh, dass ich jetzt wieder anfangen kann, meine Geschichten zu erzählen. Das geht sehr viel schneller, und es macht mir sehr viel mehr Spaß.

Wie entstehen solche Geschichten?

König: Tja, der liebe Gott, der gibt mir eine Idee... wo die nun herkommt, das kann ich nicht sagen, das ist für mich selber so ein Mysterium. Aber ich habe so ein ganz fettes Kreativ-Zentrum im Hirn: Ich habe eine Idee und ein Anliegen und dann fange ich an. Ich schreibe nicht, wie andere Comic-Zeichner das tun, erst so eine Art Drehbuch. Ich nehme einen Stift und fange an – und gucke mal, wo’s hingeht. Das hat den Vorteil, dass ich viel Spaß habe beim Zeichnen, weil ich manchmal selber gar nicht weiß, was eigentlich passiert auf der nächsten Seite. Aber das hat den Nachteil, dass ich manchmal auch mit der Geschichte ganz abdrifte und irgendwo lande, wo ich gar nicht hinwollte. Dann muss ich vieles wegschmeißen und neu machen.

Aber trotzdem ist es für mich die bessere Möglichkeit. Wie gesagt, es macht mir Spaß, wenn ich selber noch nicht weiß, was es am Ende genau sein wird. Denn das Zeichnen ist nicht mein Ding. Ich bin kein Maler, auf keinen Fall, ich bin Zeichner – aber auch das eigentlich nicht: Im Grunde sehe ich mich als Geschichten-Erzähler. Ich nehme die Zeichnung nur zu dem Zweck, dass ich das dann auch kann.

Als Kind an Donald Duck geübt

Wie sind Sie denn dann darauf gekommen, zu zeichnen, Ihre Geschichten mit Bildern zu erzählen?

König: Ich habe schon als Kind gern gezeichnet. Ich hatte einen Cousin, der konnte immer die besseren Donald Ducks zeichnen. Das hat mich gewurmt. Dann fing ich an, Donald Ducks zu zeichnen wie wild – bis ich das dann besser konnte als er. Das war so ein bisschen der Grundanstoß. Ich zeichne gerne, das ist nicht die Sache - sonst würde ich ja Romane schreiben – aber wichtiger ist mir immer die Geschichte und der Dialog.

Das sehe ich selber bei meiner Ausstellung. Die Zeichnungen haben sich verändert, aber das ist ein Evolution. Ich mache das jetzt seit 30 Jahren, und irgendwann sah die Nase eben so aus, wie sie jetzt aussieht. Aber ich habe nie mit den Zeichnungen experimentiert, habe nie gesagt, ich zeichne jetzt mal eine andere Figur mit einer ganz anderen Nase oder so. Das war nie mein Anliegen. Das Zeichnen fällt mir leicht, die Arbeit war nie das Zeichnen, sondern immer die Geschichte. Die kann schon mal klemmen.

Ich habe an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert und habe damals noch versucht, auch ein bisschen realistischer zu zeichnen – nicht diese Karikaturen, sondern richtige Menschen. Das habe ich aber, als es los ging mit meinem Erfolg, ganz an den Nagel gehängt. Das finde ich heute ein bisschen schade, denn wenn ich das auch drauf hätte, würde ich vielleicht auch mal Geschichten erzählen könne, die gar nicht lustig sein müssen.

Auf Ihrer Website findet sich ein interessanter Superlativ: mit einer Auflage von inzwischen mehr als sieben Millionen Büchern seien sie der „weltweit populärste Autor schwuler Geschichten“. Ihre Aussagen klingen ambivalent. Sie wollen nicht darauf reduziert werden, aber wegen der schwulen Geschichten kennen Sie die meisten Leute...

König: Das ist okay. Es wäre ja komisch, wenn ich jetzt ein Problem damit hätte. Es war damals etwas, was die Leute aufregend, interessant, neu fanden – dass da einer kommt, der schwul ist und sich nicht mal schämt, sondern auch noch Comics darüber macht. Das war ja der ausschlaggebende Faktor, dass ich überhaupt Erfolg hatte so früh – an den Geschichten und an den Zeichnungen kann das nicht gelegen haben.

Aber ich bin jetzt 49, da sind jetzt 30 Jahre drüber vergangen, und ich habe nun wirklich andere Dinge in meinem Leben als nur Schwulsein und meine Sexualität. Es hat mich irgendwann auch selber gelangweilt. Ich habe mich eine Weile auch wiederholt, weil ich nicht wusste, wie ich aus dieser Klemme rauskomme. Inzwischen haben ich, glaube ich, die Biege gekriegt. Jetzt ist es gerade Religion, demnächst wird es vielleicht irgendwas anderes sein. Auch die Frau ist mehr in meinem Fokus. „Hempels Sofa“ – da hatte ich sehr viel Spaß daran, mich auch über die Heterosexualität herzumachen und über die Krämpfe und Ängste und Unsicherheiten, die da so sind. Das ist ja auch lustig, wenn man das als Comic macht.