Essen. Schauspieler Armin Rohde hat ein Buch über seinen Beruf geschrieben. Der Titel: "Größenwahn und Lampenfieber". Woran leidet ein Schauspieler mehr? Lars von der Gönna traf Rohde zum Gespräch.

Das Kino hat Sie als „Bierchen” bekannt gemacht, im Theater waren Sie Sophokles' Ödipus. Die Boulevardpresse sieht Sie als Salonlöwen. Alles bloß Rollen?

Das Hinschauenwollen

Textprobe aus "Größenwahn und Lampenfieber"

Im Kapitel "Tragischer Glanz versus Proll" schildert Rohde, wie man eine Figur enstehen lassen kann. Ein Textauszug:

"Eine Qualität, die man für diesen Beruf mitbringen sollte, ist das Hinschauenwollen. Alles genau zu beobachten und sich darüber zu wundern, wie die Leute miteinander sprechen, wie sich die Situation ändert, sogar in der Stimmung völlig kippt. Es fängt freundlich an, und auf einmal ist alles furchtbar. Oder umgekehrt. Wie blickt jemand, wenn er an der Kasse im Supermarkt merkt, dass er sein Portemonnaie zu Hause vergessen hat, wie verändern sich da die Stimme, die Körperhaltung, das Gesicht? [...] Leider wird es immer schwieriger, Menschen zuzusehen, je bekannter man selbst ist – denn dann beobachten sie dich."

Armin Rohde: Alles daran stimmt und nichts daran stimmt. Ich bin Schauspieler. Und dieser Beruf ist hervorragend dazu geeignet, auf unterhaltsame Weise Verwirrung zu stiften.

Bei aller Wandlungsfähigkeit, am Ende sehen die Menschen doch immer Armin Rohde, mal als Briefträger, mal als Mörder. Was passiert da eigentlich?

Armin Rohde: Wie der Zuschauer das empfindet, ist für mich ein magisches Geheimnis. Ich bin irritiert, wenn Leute glauben, ich sei so, wie das, was ich zuletzt oder häufiger mal gespielt habe. Es ist wie mit der Liebe: man kann sie beschreiben, aber nicht erklären.

Sie schildern in Ihrem Buch, dass es berührende Momente in der Schauspielerei gibt, die mit Kunst nichts zu tun haben. Manchmal sagt der Regisseur einfach nur: „Guck aus dem Fenster!”

Armin Rohde: Ja, manchmal ist das so fußgängerisch wie's Brötchenbacken und dann ist es wieder um so rätselhafter. Wissen Sie, ich war Hotzenplotz und Einstein. Aber wie geht das, dass man in eine Rolle schlüpft? Wie der allerletzte Schritt passiert, weiß ich vielleicht selber nicht, will ich vielleicht auch gar nicht wissen, darf ich vielleicht auch gar nicht wissen. In meinem Buch beschreibe ich in diesem Sinne die Schauspielerei wie die Lichter einer großen Stadt, aber die Häuser und Straßen, die Parks und die Flüsse entstehen dabei im Kopf des Lesers.

Sie wehren sich in Ihrem Buch gegen die klassische Trennung: Theater gut, Fernsehen böse.

Armin Rohde: Alles Quatsch. Es gibt auf beiden Seiten die schlimmsten Dilettanten und ganz wunderbare große Könner.

Aber ist es nicht leichter, im Fernsehen Karriere zu machen, seit wir 20 Fernsehprogramme haben?

Armin Rohde: In den 90er-Jahren gab es den Boom der Privatsender. Da galt man schon als talentiert, wenn man ohne hinzufallen und zu zittern „Guten Tag” sagen konnte, und schon winkte 'ne Hauptrolle in irgendeinem Zweiteiler. Bekannt war man danach nicht unbedingt, weil eine Menge hübscher Menschen rumliefen, die den gleichen Trick auch draufhatten.

Ein Gladbecker

Der kleine Hai

Armin Rohde wurde 1955 in Gladbeck geboren. Nach seiner Ausbildung an der Essener Folkwang-Schule und der Clown-Schule von Pierre Byland spielte er Theater in Bielefeld und am Bochumer Schauspielhaus. Einem großen Publikum wurde Rohde in der Rolle des Ulf (alias „Bierchen") in Sönke Wortmanns Schauspielschul-Komödie „Kleine Haie" bekannt.

Ist das anders geworden?

Armin Rohde: Sehr! Deutschlands Filmindustrie hat zu knapsen. Inzwischen ist es sogar so, dass großartige Schauspieler ihre Einrichtung verkaufen, um das nächste Halbjahr über Wasser zu bleiben. Ich weiß, wie schnell das Ganze abstürzen kann. In strengen Zeiten erscheinen auch gute Leute mitunter verzichtbar, auf einmal heißt es: „Den haben wir jetzt oft genug gesehen.” Oder man hatte drei, vier Filme hintereinander, die sich zu ähnlich waren und alle nicht so toll. Dann fällt der Gnadenschuss: „Früher war der mal gut!”

Selbst schuld?

Armin Rohde: Nee, so leicht ist das nicht, man kriegt ein Drehbuch und denkt: „Gar nicht schlecht, da mach ich was draus!” Dann sieht man den fertigen Film und denkt: Wieso haben die alles auf Bonbonfarbe getrimmt und wieso heißt der Film jetzt „Natascha schwanger an der Ampel vergewaltigt” und nicht mehr „Eine Frage des Anstands”. Dann haben sie eine Musik druntergelegt, bei der die Butter im Keller schmilzt – und das ist dann eben nicht mehr der Film, den ich gedreht habe.

Sie sind sehr diskret in Ihrem Buch, was das Plaudern über Kollegen angeht.

Armin Rohde: Das ist vorsätzlich so. Ich mache nicht die Dreckschleuder. Jemanden öffentlich bloßzustellen und mich dann hinterher privat zu entschuldigen find' ich unelegant. Lieber beleidige ich jemanden unter vier Augen und entschuldige mich dann hinterher öffentlich dafür. So'n Buch als Waffe – nee! Ein paar Lehrer vom Gymnasium an der Siegesstraße allerdings, die jahrelang versucht haben mich zu beschädigen, kommen nicht gut weg. Ein Pardon wollte mir da nicht gelingen.

Größenwahn und Lampenfieber, rororo, 256 S., 12 €