Essen. Die Tochter unseres Autors hat jetzt plötzlich eine Stein-Sammlung. Wer hier einzieht, wird richtig verwöhnt – was nicht ganz ungefährlich ist.
Wir haben einen neuen Mitbewohner. Er sieht ein bisschen aus wie ein Rabenkopf. Manch einer mag in ihm auch einen Hund erkennen. Aber meine Tochter sagt, er sehe einfach nur aus wie ein Stein. Liegt vielleicht daran, dass er ein Stein ist. Und naheliegenderweise den Namen „Steini“ trägt.
Meine Erstklässlerin ist eines Morgens mit dem Einfall aufgewacht: So, ich brauche jetzt eine Stein-Sammlung! Das erste Prachtexemplar fand sie dann auf dem Schulhof – kein Kieselstein oder etwas in ähnlicher Größe, sondern ein eckiger, kantiger, spitzer, der ihre Hand gut ausfüllt. Steini jedenfalls wurde herzlich empfangen bei uns, sollte von Melia „gepflegt und gebadet“ werden – was mich etwas nervös machte. Denn so ein kantiger Prachtstein, der führt nicht die friedlichste Koexistenz mit einem Keramikwaschbecken. Bislang konnte sich Steini aber benehmen und ist nicht aus den glitschigen Seifenhänden seiner Pflegerin geflutscht.
Verpackungen werden zu Möbelstücken für den steinigen Dauergast
Er hat es ja auch gut bei uns. Einen eigenen Unterschlupf hat er, gebaut aus einem Schuhkarton, auf dem die Architektin unmissverständlich geschrieben hat „Das ist das Haus fon meiner Steinsamlun“ – mit Fenstern, einem eigenen Bett (da eignete sich das Knüllpapier im Schuhkarton perfekt), einem Schrank (im Look einer Smarties-Packung) und einem Futterkrug, gebaut aus einer Kaugummi-Packung. Was Steini gerne isst? „So ekliges Zeug“, sagt seine Betreuerin. Etwas vom Mittagessen abgeben müssen wir also nicht für unseren Dauergast. Außer vielleicht, wenn Papa kocht.
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Unter der Knüllpapierdecke schlafen übrigens auch Steinis Kinder. Woher die plötzlich kommen, weiß ich nicht – aber sie erinnern mich an die Zierkieselsteine unseres Gartens. Vielleicht hat Steini ja dort die Bekanntschaft mit einem anderen schönen Stein gemacht. Sein Zuhause jedenfalls wird täglich präsentabler für netten Damenbesuch – Melia sorgt dafür, dass Verpackungen nicht auf dem Müll landen, sondern gebunkert werden. Lassen sich bestimmt noch schöne Möbel für Steini daraus machen.
Ich hoffe nur, diese Gastfreundschaft spricht sich nicht zu sehr auf dem Schulhof herum. Noch mehr kantige Gäste würden der Badezimmerkeramik nicht so guttun.
Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako ist 2014 mit Anfang 20 Vater geworden. Seitdem erzählt der Essener in seiner Kolumne – immer mit einem Augenzwinkern – von dem chaotischen Leben mit seiner Familie.