Bochum. Gegrunze zu Dosenbier. Ist das ein Ladykiller? In Bochums Kammerspielen ist „Don Juan“ ein zerfranster Abend, wenig überzeugend. Unsere Kritik.

Der noble Don Juan ist der Inbegriff männlicher Gier. Der große Ladykiller, der jede (und jeden) so lange mit Charme betäubt, bis sie ihm willenlos um den Hals fallen. Was man über ihn indes noch nicht wusste: Don Juan ist auch ein trampelnder Tropf, der seine miese Laune mit Unmengen von Dosenbier betäubt und „Lust for Life“ von Iggy Pop in ein Mikro grunzt.

So zeichnet ihn Regisseur Mateusz Staniak in einer denkbar freigeistigen Interpretation von Molières „Don Juan“ in den Bochumer Kammerspielen, an der so mancher Premierengast kräftig zu kauen hatte. Staniak erweitert seine Aufführung um einen Untertitel: „Am Ende aller Tage“ spielt die Komödie.

„Don Juan“ von Molière in Bochum: kein großes Vergnügen: Skepsis im Publikum

Dafür baut Zaza Dupont eine Bühne, die an Trostlosigkeit ihresgleichen sucht. Auf der Rückseite einer gottverlassenen Disco begegnen sich die Figuren wie Zombies. Während innerhalb der Bruchbude noch der Rest einer rauschhaften Party tobt und sich die erschöpften Gäste gegenseitig mit der Kamera filmen (Gruß an Castorf!), herrscht vor der Tür Katerstimmung. In diesem abgetakelten Ambiente soll der Don seine Eroberungszüge starten? Die Skepsis im Parkett wächst.

Bochums Schauspielhaus liefert mit der jüngsten Premiere eine kalte Zombie-Parade sehr frei nach Molières „Don Juan“. Szene mit Dominik Dos-Reis (l.) und George Dhauw.
Bochums Schauspielhaus liefert mit der jüngsten Premiere eine kalte Zombie-Parade sehr frei nach Molières „Don Juan“. Szene mit Dominik Dos-Reis (l.) und George Dhauw. © Handout | Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Dabei böte der fast 350 Jahre alte Stoff durchaus Möglichkeiten einer zeitgemäßen Verwandlung. Don Juan als Tinder-Profi, der seine Liebschaften so oberflächlich nach links und rechts wischt wie es die Flirtwilligen heutiger Tage auf ihren Handys tun: Das wäre vielleicht eine Idee, um den Schwerenöter-Oldie in unsere Zeit zu retten. Doch Staniak hat andere Pläne: Er kürzt rigoros, sogar Don Juans tragische Liebschaft zu Donna Elvira fällt weitgehend unter den Tisch. Lieber zeigt er den Titelhelden als langsam dahinsiechenden Underdog – doch sein Schicksal berührt so kaum.

Regisseur Mateusz Staniak liefert in „Don Juan“ eine Zombie-Show, die kaum berührt

Dazu wächst der Verdacht, dass der Regisseur der feingewirkten Dichtung Molières nicht vertraut: Viel zu oft lässt er sie über die Bühne brüllen. Zu knarzenden Gitarrenklängen von George Dhauw schlägt sich das Ensemble tapfer. Weiß geschminkt und in grünem Mantel blitzt hinter Victor IJdens polternder Machomännlichkeit gelegentlich eine fein gespielte Verletzlichkeit auf, die besonders in Don Juans energischen Rededuellen mit seinem treuen Diener Sganarelle (Danai Chatzipetrou) an Tragik gewinnt. Als gehörnter Pierrot, der sich bebend vor Zorn erschießt, gelingt Michael Lippold ein rührender Auftritt.

Am Ende fährt auch dieser Don Juan an der Hand des „steinernen Gastes“ (Dominik Dos-Reis) geradewegs in die Hölle. Hier hält sich Staniak an den Plot der Geschichte, auch wenn man diese in den Fransen seiner Inszenierung oft vergeblich sucht. Freundlicher Beifall.