Essen. Hans Steinbichler verfilmt den Bestseller über das harte Leben eines Waisenjungen in den Alpen. Oft herb und lakonisch, dann wieder atemberaubend.

Österreich, Anfang 1900. Der Waisenjunge Andreas Egger wächst beim Bauern Kranzstocker auf. Der verprügelt ihn so brutal, dass seine Beine brechen und er fortan hinkt. Als junger Mann heuert Egger beim Seilbahnbau an. Er spart sich eine Hütte zusammen, lernt die junge Marie kennen. Doch auch dieses Glück ist nicht von Dauer. Egger zieht in Hitlers Krieg.

„Ein ganzes Leben“ voller Entbehrungen und harter Arbeit beschreibt Hans Steinbichler in seinem gleichnamigen Film. Vorlage ist der Bestseller-Roman von Robert Seethaler von 2014. Jetzt kommt das raue Alpen-Epos in die Kinos.

„Ein ganzes Leben“: August Zirner spielt den alten Andreas, Stefan Gorski den erwachsenen

Und mit ihm eine Erzählung, die über ein halbes Jahrhundert Geschichte umspannt. Anfangs fährt der Bub Andreas (Ivan Gustafik) mit dem Pferdekarren vor – am Schluss wird er als Senior (August Zirner) in den Bus steigen. Er will bis zur Endstation, weil er ja nie herausgekommen ist aus seinem Tal. Kurz zuvor haben die Menschen dort die Mondlandung im Fernsehen angeschaut. Dazwischen liegt eine zweistündige Filmbiografie, ein moderner Heimatfilm, der einem mit seiner Wucht den Atem verschlagen kann, die meiste Zeit jedoch lakonisch Eggers Leben nachzeichnet, von der Jugend bis in die 70er. Immer aus seiner Perspektive. „Also: Das Leben ist ein Leben. Und jedes Leben reduziert sich auf das pure Dasein“: Seethalers Sätze stehen über dem Drama.

Im Erwachsenenalter spielt Stefan Gorski die Rolle des Egger. Man nimmt ihm den stolzen, starken Eigenbrötler ab, der nie klagt und sein Schicksal erträgt. Egger stellt den Lauf der Dinge nicht in Frage. Er macht einfach weiter. Eine Stunde wird es dauern, bis es Marie (Julia Franz Richter) gelingt, ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern.

„Ein ganzes Leben“: Robert Stadlober ist als Wirt kaum wiederzuerkennen, so gut arbeitet die Maske

Steinbichler setzt den beschwerlichen Alltag authentisch in Szene. Armin Franzen (Kamera) steuert Naturaufnahmen bei, die spektakulär sind und bedrohlich zugleich: eine archaische Welt, die den Menschen einiges abverlangt. Und so sind sie auch kantig wie die Felsen, diese Dorfbewohner: stoisch, gottesfürchtig, mit Gesichtern gezeichnet von Sonne, Wind und Kälte. Die Maske hat derart gute Arbeit geleistet, dass etwa Robert Stadlober als Wirt kaum wiederzuerkennen ist.

Dabei ist die Schwermut allgegenwärtig. Es wird viel gelitten, viel entbehrt und kaum gesprochen und wenn, dann fallen Sätze wie „Hier stirbt man allein“. Und so ist dieser Film letzten Endes wie die Bergwelt, die ihn umgibt: von herber, einnehmender Schönheit, aber auch schwer zugänglich. Ein Marsch, kein Spaziergang. Man sollte wissen, worauf man sich einlässt.