Köln. Der britische Singer-Songwriter gastierte am Mittwochabend in Köln mit seiner Tour zum 40. Jubiläum. Als Zugabe spielte er ein komplettes Album.

Es hätte so schön sein können. Einmal das komplette Album durchspielen, in der Royal Albert Hall, begleitet vom London Symphony Orchestra. „Aber mit dem London Symphony Orchestra kannst du nicht spielen, wenn es nur 17 Minuten dauert“, sagt Billy Bragg. Aber dabei zu sein, wie der 65-Jährige „Life’s a Riot with spy vs spy“ Mittwoch im restlos ausverkauften Gloria Theater in Köln komplett durchspielt, ist auch ein Erlebnis.

1983 erschien besagtes Album – das mit sieben Stücken und einer Original-Laufzeit von 15 Minuten und 57 Sekunden eigentlich eher eine EP war – als Debütscheibe des Briten. Dass Bragg damit im Zugabenteil ab 22.17 Uhr den Abschluss des Abends einläutet, macht Sinn zum 40. Jubiläum. Das gefeiert werden will. Ausgiebig und drei Stunden lang.

Billy Bragg in Köln: Aktivistisch und meinungsfreudig bis heute

Zur Einstimmung gibt’s den Kurzfilm „40 Years in 40 Minutes“, der Bragg in Theatern, in Clubs und auf Festivals zeigt, in der Garderobe, bei Interviews und auf Tour, nicht nur als Sänger und Musiker, sondern auch als Aktivist, Sozialist und Gründer der Bewegung „Red Wedge“, mit der er 1985 junge Wähler für die Labour Party werben wollte. Die 1980er nehmen recht viel Raum ein, ab 1990, als èr bei „The Internationale Sessions“ linke Protestsongs mit internationalem Chor einspielt, geht es im Zeitraffer.

Aktivistisch und meinungsfreudig ist er bis heute geblieben. Zwischen den Stücken redet er viel und lange und engagiert. Etwa darüber, dass es Quatsch sei, Unterschiede zwischen Trans-Frauen und Frauen zu machen: „Ich glaube nicht, das Trans-Frauen den sicheren Raum von Frauen bedrohen. Gewalt gegen Frauen und Trans-Frauen kommt immer von der gleichen Seite – es ist männliche Gewalt.“ Oder darüber, wie es war, als er zum ersten Mal diesen „weird song“ gehört hat, den rechten Country-Song „Rich Men North of Richmond“ von Oliver Anthony. Und wie er entsetzt dachte: „Was für eine Art Lied ist das?“ und mit „Rich Men Earning North of a Million“ reagiert hat.

Woody-Guthrie-Song wird im Gloria zur Hymne

Noch immer gilt für ihn „There is Power in a Union“, und wie das funktioniert, zeigt Billy Braggs Cover-Version von Woody Guthries „All You Fascists Are Bound To Lose“ – sie wird im Gloria zur Hymne. „Wir werden nie wieder so hübsch sein, wie in den 80ern, das ist vorbei, das könnt ihr euch abschminken, und nie wieder so hip, aber wir können genauso radikal und maßgeblich sein“, sagt er. Und: „Du bist nicht allein. Das ist die Kraft der Musik. Musik kann nicht die Welt verändern, aber der Glaube an Musik kann Dinge verändern“. Seit 1983, als Bragg sang „I don’t want to change the world, I’m not looking for a new England”, haben sich viele Dinge verändert. Einige auch zum Guten.