Essen. „Rehragout-Rendezvous“, der neue „Eberhofer“, kommt ins Kino. Lisa Maria Potthoff spricht über ihre Rolle, Kampfkunst und die Liebe zu Action.
„Rehragout-Rendezvous“, der neue Krimi nach Buchvorlage von Rita Falk, startet am Donnerstag, 10. August, in den Kinos. Uwe Mies sprach vorab mit Schauspielerin Lisa Maria Potthoff (45), die sich mal als Mädchen aus dem Volk präsentiert, dann wieder als der einsame Cowboy, über ihre Rolle in dem neuen „Eberhofer“. Im Fokus: Serienrollen, Kampfkunst und Schauspieltechnik.
Frau Potthoff, haben Sie sich als Kind gern verkleidet?
Lisa Maria Potthoff: Ein großer Teil meines Kinderlebens war das Verkleiden, und im Wesentlichen ist das bis heute so geblieben. Deswegen mag ich auch die extreme Verwandlung. Tatsächlich sind viele Eberhofer-Fans, vor allem wenn wir wie gerade mit dieser Tour in die Provinz gehen, irritiert, dass ich Hochdeutsch spreche und mich auch ganz anders kleide. Also kurzum, dass ich nicht so wie die Susi bin.
Nach Kölner Sichtweise ist Susi ein Mädchen aus dem Volk. Wie würden Sie die Rolle beschreiben?
Genau so. Sie war ja mal der heiße Feger des Dorfes. Immer die engsten Hosen an, also eine, die die Jungs klarkriegen wollen.
Wie spielen Sie das, wenn die Kamera Sie meist in Nahaufnahme im Weitwinkel aufnimmt?
Stimmt, da wir so weitwinklig drehen, sitzt das Kameraobjektiv fast unmittelbar vor der Nasenspitze. Wir spielen dann mitten in die Linse in eine Art Fadenkreuz. Man ist also ohne Spielpartner und spielt sich quasi selber an, in der Spiegelung der Kamera. Ich fand das anfangs richtig schwer, weil man sich ja selber beim Spielen zuguckt. Das ist nicht zu unterschätzen, wenn man da in eine Wahrhaftigkeit vorstoßen will. Diese ist bei uns ja noch mal komisch überhöht, darf aber weder zu dick noch zu minimalistisch aufgetragen sein. Und wenn man das geschafft hat, dann folgt der Rest dem persönlichen Instinkt, weil Susi ja immer drei Schippen mehr ist, als ich bei jeder anderen Figur machen würde. Ich bin eigentlich kein Fan davon, den Zuschauern Emotionen aufzudrängen.
Welchen Schauspielstil bevorzugen Sie?
Das kann ich so allgemein nicht sagen. Ich war auf einer amerikanisch orientierten Schauspielschule, wir hatten Method Acting (sich hineindenken in alle Befindlichkeiten der eigenen Rolle), Sanford Meisner (Spiel bedeutet Reaktion auf etwas), Michael Tschechow (die Verbindung der körperlichen Aktion mit der inneren Vorstellungskraft) – wir haben eigentlich alle Techniken erlernt. Ich ziehe mir aus jeder einzelnen Methode das für mich Sinnvolle raus. Mir bringt auch die Kampfkunst sehr viel für die berufliche Ausgestaltung als Schauspielerin.
Kampfkunst? Nicht Kampfsport?
Ja, denn Kampfsport wäre die Reduktion auf den Wettkampf. Kampfkunst ist auch das Mentale zusätzlich zur Bewegungsform. Da geht es nicht nur darum, sich zu messen, sondern auch um das Philosophische, und das lässt sich auf alle Aspekte des Lebens übertragen. Bruce Lee brachte das auf den Punkt: “Adapt what is useful, reject what is useless, and add what is specifically your own.” (Nimm das Nützliche an, weise das Nutzlose zurück und füge das hinzu, das ganz allein dich ausmacht.)
Und wie übertragen Sie das auf das Schauspielerische?
Ich bediene mich etwa des Method Actings, wenn ich an etwas Authentisches rankommen möchte. Gerade in der Komödie ist aber Präzision die hohe Kunst, sonst funktioniert sie nicht.
Ihre erfolgreichste Serienrolle im Fernsehen ist Sarah Kohr. Interessant ist auch hier die Körperlichkeit ihres Spiels – sparsame Bewegungen in den Kampfszenen, aber auch in den physischen Momenten, wenn Sie ohne Zwischenschnitt über Balkone in den zweiten Stock eines Hauses klettern. Wie passt so eine Rolle ins heutige Frauenbild?
Naja, das passte vor einigen Jahren sehr gut in diesen zwischenzeitlich etwas durchgelutschten Begriff der starken Frau, wo man heute bestrebt ist, auch mal andere Vokabeln zu finden. Aber damals war Sarah Kohr eine trendgerechte Entsprechung des Zeitgeistes. Und ich wollte das auch genau deswegen machen, nachdem man mir das Konzept angetragen hatte. Mir war aber auch klar, dass wir ein Alleinstellungsmerkmal brauchen.
Das fanden Sie bei Sarah Kohr inwiefern?
Gleich der erste Film 2014 war weniger Krimi als vielmehr ein Thriller. Die weibliche Hauptfigur ist handlungstreibend. Nur sie kann das Problem lösen. Also eine klassische Heldenreise. Das hatte ich so in Deutschland noch nicht gesehen. Und dann ging es darum, sich diese Frau auch körperlich zu erarbeiten. Was eigentlich gar nicht so anders war wie bei der Susi. Aber wo bei der immer der dritte Gang gefahren wird, ist es hier sehr reduziert in der Mimik und der Gestik und auch eher wortkarg, aber dann gibt es im Gegengewicht diese sehr eruptiven Kampfmomente. Also eher der einsame Cowboy.
Ist es nicht enorm, dass sie schon Ende 30 waren, als man eine Actionrolle an Sie herantrug?
Ja, was soll ich sagen. Ich mache diese Actiongeschichte wirklich mit Leidenschaft. Ich finde, wir Schauspieler wissen immer genau, was wir alles Tolles spielen wollen. Wenn es aber darum geht, dafür zu ackern, dann kneifen viele. Diese Stunts für Sarah Kohr einzustudieren, das ist richtig anstrengend. Und ich ziehe mir oft genug happige Verletzungen zu. Aber wenn man sich dafür entscheidet, dann muss man das auch durchziehen. Und dann muss man auch ihre Muskeln sehen. Sonst sieht das doof aus und es überträgt sich nicht so, wie es das sollte. Ich liebe es unabhängig davon im Erlernen der Kampfkunst Schülerin zu sein. Nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Mensch.
Zur Person
Obwohl ihre Wiege an der Spree stand, musste Lisa Maria Potthoff (*1978) für die Eberhofer-Krimis den bayerischen Zungenschlag nicht pauken. Mit ihren Eltern (Vater Psychologe, Mutter Ärztin) zog sie früh nach Oberbayern. Ihre Ausbildung machte sie an einer privaten Schauspielschule in München. Zuvor hatte sie schon kleine Auftrittserfahrungen gesammelt, auch als „Derrick“-Statistin“. Für ihre Stunt-Leistungen wurde die in Berlin lebende Mutter zweier Kinder mehrfach geehrt.
Zum Film: „Rehragout-Rendezvous“ ist einer der besten
Ein Rabe wird mit menschlichem Ohr im Schnabel auffällig. In einem nahen Feld werden weitere Leichenteile gefunden. Es hat also wieder einmal einen Mord in Niederkaltenkirchen gegeben. Polizist Franz Eberhofer braucht die Ermittlungen aber einmal mehr, um sich vom Stress in der Beziehung und der Familie zu erholen.
Auch im neuen Krimi nach Buchvorlage von Rita Falk agiert ein munter aufgelegtes Stammensemble mit Sebastian Bezzel, Simon Schwarz und Lisa Maria Potthoff in den Hauptrollen, während Regisseur Ed Herzog mit Weitwinkel und coolem Schnitt die meisten sonst im Deutschkino träge und altbacken aussehen lässt.
Was als TV-Projekt begann, hat sich zu einer ertragreichen Kinomarke gemausert, die sich nach vereinzeltem Kreativschwund stets gestärkt zurückmeldete. Die Krimispannung ist dabei längst zweitrangig, es geht um eigenwillige Typen in Alltagssituationen. An den Reibungspunkten sprühen die Funken für Wortwitz und Slapstick. Und keine Spur von Müdigkeit. Der neue Eberhofer ist einer der besten.