Weeze. Parookaville hat Fans, wo man sie nicht vermuten würde: Ein Weihbischof hat den Parookaville-Pass, ein Theologe findet: Kirche kann hier lernen
Das größte deutsche Festival für elektronische Musik weckt Neugier auch da, wo man es nicht sofort erwartet: Theologe Maximilian Heuvelmann und der Münsteraner Weihbischof Rolf Lohmann haben sich vor Ort ein Bild gemacht. Seitdem beschäftigt Heuvelmann die Frage, was die Kirche von dem Festival lernen kann.
Klingt weit hergeholt, aber der Theologe entdeckte durchaus religiöse Elemente bei Parookaville: „Auf der Mainstage ist das DJ-Pult der Altar. Die Leute reagieren auf den DJ mit einer gewissen Gestik – ähnlich wie die Besucherinnen und Besucher einer Messe auf den Priester. Und abends wird die Mainstage durch die Licht- und Pyro-Effekte zu einer Kathedrale des Lichts“, so Heuvelmann.
Das sind Äußerlichkeiten – die Analyse des Theologen geht tiefer: Die Gemeinschaft bei Parookaville und die für jeden verständliche Sprache, in der die Story des Festivals erzählt wird, hebt der Emmericher hervor.
Das Festival: Ostern und Weihnachten in einem
Für den Einlass erhält man kein Ticket, sondern ein Visum – dadurch werden Gäste zu Bürgerinnen und Bürger und können sich jedes Jahr am Rathaus einen Stempel in ihrem Parookaville-Pass geben lassen. „Die Leute leben ein ganzes Jahr auf dieses eine Wochenende in dieser Parallelwelt hin – für sie ist das Festival wie Weihnachten und Ostern in einem“, beschreibt Heuvelmann.
So entstehe eine enge Form von Gemeinschaft – aber aus Sicht des Theologen mit einem großen Unterschied zur Kirche: „Die Entscheidung, zu Parookaville zu gehen, ist freiwillig gewählt. Die Taufe in der Kirche ist in der Regel eine Entscheidung, die die Eltern für ihre Kinder getroffen haben. Das ist – ganz hart formuliert – eine Zwangsgemeinschaft, die heute auch nicht mehr trägt, weil die Leute mit den Füßen darüber abstimmen und nicht mehr so oft in die Kirche gehen oder gleich ganz austreten.“
Mit Blick auf Parookaville gibt Heuvelmann zu bedenken: „Eine ganz große Stärke des Festivals ist ein christliches Motiv: Du bist frei und wirst geliebt. Damit schafft Parookaville eine Sinn-Tradition ohne Normierung. Ob man queer, bi oder was auch immer ist, ist überhaupt nicht relevant für Parookaville. Und was tut die Kirche? Wir können Bomben, Panzer und Autos segnen, aber nicht alle Menschen, die sich lieben. Die Kirche hat einen zu normierenden Blick“, fürchtet der Doktorand der Uni Münster.
In der Kirche von Parookaville ist die Sexualität egal
Derweil gibt es in Parookaville eine Kirche, in der die sexuelle Gesinnung egal ist. Jedes Jahr vollzieht die Weezer Standesbeamtin Birgit Thönnesen dort eine Hochzeit. 2019 für ein gleichgeschlechtliches Paar. „Hier finden die Brautpaare einen würdigen Rahmen und lassen sich gleichzeitig von dem Gefühl des Festivals voller Liebe, Glückseligkeit und positivem Wahnsinn inspirieren“, so die 51-Jährige.
Dass es auf einem säkularen Fest trotzdem eine Kirche gibt, die neben Rathaus, Postamt und Gefängnis zu den Elementen der fiktiven Stadt Parookaville gehört, findet Heuvelmann hochinteressant. Das Raum-Konzept ähnele einer Kirche, aber im Gegensatz zu einer Messe kommen und gehen die Leute, wann und wie sie es wollen.
„Ich habe den Eindruck, die Steifheit der Kirche muss aufgebrochen werden, damit Dynamik entsteht und man sich überhaupt traut und Lust hat, ein Gotteshaus zu betreten“, sagt er.
Eine Lehre, die Heuvelmann aus der Parookaville-Kirche zieht: „Mach die Türen auf, verurteilt niemanden, der nur einen Teil der Messe dableibt.“ Dazu verweist der Theologe auf das Lied „Tired“ des DJs Alan Walker, der auch schon mehrfach in Weeze war. Dort gibt es die Verszeile „Lass mich dich lieben, wenn dein Herz müde ist.“ „So eine Metapher kennt die Kirche auch“, betont der 30-Jährige, „aber das Evangelium, was für mich die beste Botschaft der Welt ist, zieht nicht, weil Vermittlungsform und Strukturen ins Leere gehen.“
„Kirche muss hingehen, wo die Menschen sind“
Dabei blickt Heuvelmann auf die Gottesdienste: „Ein DJ muss Leistung bringen, sonst laufen ihm die Zuhörer weg – dieses Qualitäts- und Beurteilungsmerkmal gibt es so deutlich bei den von der Kirche eingesetzten Priestern nicht.“ Der Theologe fordert von der Kirche einen Haltungswechsel: „Die Kirche kann von Parookaville lernen, dass sie Menschen in ihrem Leben ernst- und wahrnimmt, ohne zu sehr vorab zu normieren. Wir müssen Privilegien abgeben sowie sichere Orte der kirchlichen Verkündung in Teilen aufgeben und dorthin gehen, wo die Menschen sind,“ lautet das Fazit von Heuvelmann.
Weihbischof Lohmann war jedenfalls sehr beeindruckt von der Stimmung auf dem Festival: „Ich spüre ein ganz starkes Gefühl von Gemeinschaft“, sagte Lohmann, der sich seit 2022 zu den Bürgern von Parookaville zählen kann – samt Pass mit Foto.
Zum siebten Mal wird vom 21. bis 23. Juli die Party-Stadt Parookaville auf dem Flughafen Weeze ihre Pforten öffnen. Dann feiern dort pro Tag 75.000 Gäste und machen Parookaville damit für ein Wochenende zur größten Stadt im Kreis Kleve. Es gibt noch wenige Tageskarten für freitags (119 Euro) und sonntags (99 Euro): www.parookaville.com