Essen. Rasantes Thema, aber mit viel Distanz erzählt: Christopher Hochhäuslers „Bis ans Ende der Nacht“ kommt in die deutschen Kinos.

„Gibt es eine Chance für die Liebe, wenn einer in der Beziehung die Umwandlung des Geschlechts anstrebt? Der schwule Polizist Robert (Timocin Ziegler, hier auf Annäherungskurs zu Casey Affleck) sieht sich mit dem Problem konfrontiert, als Lennart (Thea Ehre) vorzeitig aus dem Knast freikommt.

Die beiden waren ein Paar, bevor Lennart wegen Drogenhandels inhaftiert wurde. Jetzt aber nennt Lennart sich Leni, trägt Minirock, Make-up und langes Haar und benötigt das Geld für den letzten operativen Schritt hin zur Frau.

Robert hingegen ist mal fasziniert, öfters abgestoßen und bleibt doch an Leni dran, weil er sie für einen Ermittlungsjob braucht. Über Leni soll er das Vertrauen des Großdealers Victor Arth (Michael Sideris) erschleichen, der Drogen über einen Versandhandel im Internet an die Kunden bringt. Der Job ist für alle Beteiligten gefährlich, schließlich sind die konventionellen Drogensyndikate ebenso hinter Victor her wie die Polizei.

Christopher Hochhäuslers „Bis ans Ende der Nacht“ kommt ins Kino

Christoph Hochhäusler, einer der führenden Filmautoren der formal wie erzählerisch herausfordernden Stilrichtung mit dem Etikett „Berliner Schule“, legt mit „Bis ans Ende der Nacht“ seinen ersten Film seit 2014 vor – und zumindest der Titel lässt ein Versprechen auf stilsichere Kriminalspannung mit psychologischem Tiefgang erwarten. Die Grundstimmung ist allerdings weniger krimihaft als vielmehr melodramatisch. Der Polizist und sein Lockvogel stecken beide in dem Dilemma, dass sie weder richtig mit- noch richtig ohne einander sein können. Die offensiv nach vorn gerückte Trans-Thematik findet durch Thea Ehre, die „1999 in Wels in Oberösterreich als Bub“ (Der Standard) zur Welt kam, eine gute darstellerische Ausgestaltung.

Was auch mit Christoph Hochhäuslers Regie zu tun hat. Der ist ähnlich wie Christian Petzold ein Filmerzähler, der sich gern auf große Vorbilder des französischen und US-amerikanischen Kinos beruft, die Fabulierfreude im eigenen Werk aber mit einer akademischen Zementierung einfasst. So finden sich in „Bis ans Ende der Nacht“ etliche cineastische Verweise und Zitate (u.a. auf Claude Sautets „Der Kommissar und sein Lockvogel“, Robert Aldrichs „Straßen der Nacht“ und „Im Zeichen des Bösen“ von Orson Welles), die alle reizvoll sind, aber am Ende kein zufriedenstellendes Ganzes ergeben. Ein Grund dafür ist, dass Hochhäusler mit kunstvoll ausgeleuchteten Kamerafahrten, Spiegelungen und abrupten Szenenwechseln allzu penetrant die filmische Form gegen die dramatische Wirkung positioniert.

Auf Distanz zur Geschichte: Der Film lässt wenig Identifikation zu

Zugleich versagt er der Geschichte und auch ihrem Protagonisten jegliche offene Sympathie. Dadurch kommt der Film extrem zäh in die Gänge und spricht bis zum bemüht triumphalen Schlussbild keine Einladung zur Identifikation aus. Der Wille zu akademischer Distanz ist das prägende Stilmittel. Da wird äußere Aktion aus der Ferne gefilmt, da sind Dialoge oftmals kaum zu verstehen. Deutsches Genrekino begreift sich einmal mehr als cineastisches Exklusivangebot für eine Minderheit, die alles kennt und Bescheid zu wissen glaubt.

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Mit Berliner Bären geehrt

Im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale gehörten Angela Schanelecs „Music“ und Christoph Hochhäuslers „Bis ans Ende der Nacht“ zu den deutschen Beiträgen mit einer hohen Auszeichnungs-Chance. So kam es dann auch: „Music“ gewann den Silbernen Bären fürs beste Drehbuch. Und Thea Ehre wurde für die beste Darstellung in einer Nebenrolle ausgezeichnet – sie war die erste Trans-Aktrice, die einen Silbernen Bären bekam. Was wiederum hohe Wellen der Begeisterung in der deutschen Kulturberichterstattung auslöste.