Mülheim/R. Drei Theater- und Kunstfestivals in der Saison statt Spielplan mit Repertoire-Stücken: Das Theater an der Ruhr stellt seine Spielweise radikal um.

Revolution im Theater an der Ruhr: Die vor vier Jahrzehnten gegründete Bühne verabschiedet sich vom Ganzjahres-Spielplan. Stattdessen soll es drei festivalartige „Inseln“ in jeder Saison geben: Drei bis vier Wochen, in denen das Theater dann ein Feuerwerk von Inszenierungen, Musik, Kunst, Vorträgen, DJ-Sets und Workshops zünden will. Auf der Bühne wie auch auch im Raffelbergpark ringsum, wie man es von den beliebten „Weißen Nächten“ des Theaters im Sommer kennt. Die freilich werden in der neuen Spielweise entfallen. „Alles anders zu machen als andere ist seit über vier Jahrzehnten Teil der DNA im Theater an der Ruhr,“ begründete Sven Schlötcke, der geschäftsführende Teil des Leitungskollektivs, den Schritt. Er dürfte allerdings auch eine Konsequenz aus dem veränderten Verhalten des Publikums nach der Corona-Krise sein, das nur noch selten in hellen Scharen in die Theater zurückkehrte.

Mit den drei Festival-Inseln sind auch Repertoire-Renner Geschichte, jene Inszenierungen also, die die sich jahre- und zum Teil sogar jahrzehntelang im Spielplan gehalten haben wie einst der legendäre Handke-„Kaspar“ oder aktuell die „2 ½ Clowns“ oder „Der kleine Prinz“ von Roberto Ciulli. Die jeweils neuen Inszenierungen sollen während der Festival-Insel acht bis zehn Mal zu sehen sein – und danach nicht mehr. Zudem soll jede Spielzeit einem speziellen Thema gewidmet sein. In der nächsten Saison wird es ab dem 18. August „Rausch. Verändere Dein Bewusstsein“ lauten. Helmut Schäfer, Chefdramaturg: „Das ist kein Motto, sondern ein echtes Thema. Und wir haben mit den drei Inseln zum Thema die Chance, es wirklich einmal zu vertiefen“.

Roberto Ciulli macht eine Antonin-Artaud-Abend, Maria Neumann „Moby Dick“

Allerdings fällt mit den Repertoire-Stücken auch ein Großteil der Auslandsreisen weg, mit denen das Theater an der Ruhr seinen Etat früher entscheidend stützen konnte. Aber die Goethe-Institute finanzieren heute Sprachkurse statt Theater, Ziele wie Teheran, Kiew oder Moskau fallen weg – „und dann fragt sich ja auch, wie sinnvoll es ist, 30 Leute in ein Flugzeug zu packen, um in Tunis Theater zu spielen“, sagt Sven Schlötcke.

Philipp Preuss, leitender Regisseur am Theater, wird zur ersten von drei „Rausch“-Inseln mit den „Bakchen“ des Euripides die zentrale Theater-Inszenierung beisteuern: „Wir wollen künftig aber auch das Publikum in die Themenfindung miteinbeziehen, wir wollen als Theater nicht belehren, sondern einen gemeinsamen Lernprozess mit dem Publikum beginnen.“ Weitere Elemente sollen ein Theaterabend von Roberto Ciulli mit dem Titel „Ich, Antonin-Artraud – Le Momo“, eine szenische Rezitation von Maria Neumann, die mit „Moby Dick“ den Jagdrausch heraufbeschwört, sowie eine Stückentwicklung des Theaters Anagoor unter dem Titel „Bromio“ geben, bei dem das Publikum mit einer Art Prozession zum Aufführungsort geführt wird. Dazu gibt es Konzerte mit den Sufi Dub Brothers, den Düsseldorf Düsterboys oder E:N.D.E. Am Familientag wird das Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“ gespielt, mal ist eine Rezitation von Novalis’ „Hymnen an die Nacht“ zu hören, mal sind Performances zu sehen. Workshops zum psychedelischen Atmen, Lach-Yoga oder eine Rauschkräuter-Wanderung runden das Programm ab.

Die Eintrittspreise zur ersten „Rausch“-Insel sind einfach gestaffelt: 12 Euro für eine Aufführung, 18 Euro für zwei am gleichen Tag, der Rest ist kostenlos. Und alle unter 30 zahlen neun Euro für alles.