Essen. Kein Typ fürs Jenseits: Das Paradies ist für Opernstar Joyce DiDonato im Hier und Jetzt. Bald singt sie von „Eden“ in Essen. Ein Interview.
Als Königin von Barock und Belcanto bestieg sie den Thron, doch längst hat die große Sängerin Joyce DiDonato (54) mit Alben wie „In War and Peace“ Kunst und politisches Bekenntnis verschwistert. Mit ihrem jüngsten Projekt „Eden“ kommt sie an die Ruhr. Lars von der Gönna sprach mit dem Weltstar über große und kleine Paradiese.
Wie stellt sich Joyce DiDonato das Paradies vor?
Ich bin nicht der Typ, der auf Schönes im Jenseits wartet. Ich finde, wir müssen es auf Erden finden, hier und jetzt! Durch Frieden und darin, manche Dinge zu akzeptieren, wie sie sind. Und das, was sich hier nicht nach Paradies anfühlt, das lehrt uns etwas, bringt uns näher zusammen.
Der Garten Eden steht biblisch auch für den Verlust, eins zu sein mit der Natur. Ist er größer denn je?
Ja und nein. Klar: Was auf uns einprasselt von künstlicher Intelligenz bis zu virtueller Realität befeuert die Trennung von der Natur. Andererseits hat uns der Lockdown gezeigt, was viele von uns schaffen, wenn so ziemlich alles wegbricht. Viele haben die Wonne wiederentdeckt, einfach in der Natur zu sein. Dazu gehört auch die Schönheit eines ganz einfachen Spaziergangs. Andere fanden zur Musik, zu kleinen Dingen. Mir hat das Mut gemacht, zu sehen, dass wir immer noch wissen, was gut für uns ist. Es war eine lehrreiche Zeit!
„Eden“ ist ein Konzeptalbum. Ist Ihre Absicht ernsthaft „Mit Klassik ein bisschen die Welt retten“?
Absolut wünsche ich mir, dass Klassik die Welt rettet und zu einem Ort von Balance und Harmonie macht. So, das war meine „Miss America“-Antwort! (lacht). Im Ernst: Zu begreifen, wie weit weg wir von der Erde als Zuhause sind – das kann Musik schon zeigen. Sie ist eine Einladung zur Besinnung, ist Inspiration, ist eine Tür zur Entdeckung des Schönen, aber auch zum Tiefgang abseits aller Oberfläche.
Ihr Essener „Eden“-Programm reicht von Barock bis Charles Ives. Ist über die Jahrhunderte die Sehnsucht der Komponisten immer gleich geblieben, sozusagen „unter der Linde“ Ruhe zu finden?
Natürlich hat sich die Ausdrucksform immer wieder geändert. Aber mich hat bei meiner Auswahl fasziniert, wie alle – von Händel bis Mahler – bei großen Fragen des Lebens immer wieder auf das Heilende der Natur zurückgekommen sind. Und umgekehrt strahlt aus ihrer Musik oder aus einem Text von Rilke genau diese Kraft der Natur zurück. Am Ende lädt gute Kunst zu einer Reise ein, sich selbst zu entdecken.
Im Park hier am Haus singt abends eine Nachtigall, überwältigend schön – mein Alltags-Eden sozusagen. Was ist denn Ihres, Frau DiDonato?
Dass Sie eine Nachtigall im Garten haben und sie h ö r e n! Das ist doch der Punkt: Augen und Ohren öffnen für diese Geschenke der Natur. Wenn ich mein Workout draußen mache, nehme ich ganz viel wahr. Manche Blumen sind schöner als im letzten Jahr, andere sterben ab. Aber sie alle tun einfach, wozu sie geboren sind. Da fragt keine, warum sie nicht dies oder das im Leben geworden ist. Ich finde Eden überall, selbst in der Schlange, auch im verbotenen Apfel.
Jeder Besucher Ihres Konzerts bekommt ein Samenkorn geschenkt. Das gute alte Prinzip Hoffnung?
Ja, aber Hoffnung gepaart mit Handeln! Wenn du dieses Tütchen bloß ins Küchenregal tust oder es in deinem Konzertsakko lässt, passiert ja nichts. Erst wollten wir für jede verkaufte Karte einen Baum pflanzen. Aber das hier gefällt mir viel besser: Ein Saatkorn ist Hoffnung oder ein Versprechen, aber es zu pflanzen, ist eine Tat und heißt auch, Geduld zu zeigen, bis etwas daraus erwächst.
Auftritt im Juni in Essen: Karten zu gewinnen
Mit dem Programm ihrer jüngsten CD „Eden“ ist die US-amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato am 15. Juni, 20h, in Essens Philharmonie zu Gast. An ihrer Seite: das Orchester „Pomo d’Oro“ unter Dirigent Maxim Emelyanychev und die Jugendkantorei der Auferstehungskirche Essen. Karten gibt es für 25-70€ unter Tel. 0201-8122200. Oder mit Glück kostenlos:In Kooperation mit der Philharmonie vergeben wir 3 x 2 Freikarten für das Konzertereignis. Wer gewinnen will, ruft bis 29. Mai an: 01378/ 78 76 18 (0,50 € / Anruf).