Essen. Nora Bossong ist die neue Metropolen-Schreiberin Ruhr – und hat bei unserem Lotterie-Interview mitgemacht. Die Fragen zog sie aus einem Lostopf.
Seit dem 1. Mai ist Nora Bossong (41) die neue „Metropolen-Schreiberin Ruhr“. Bis Ende des Jahres wird sie das Revier entdecken und darüber schreiben. Die Autorin begrüßten wir in unserem Medienhaus mit einem Lotterie-Interview: Per Zettel zog Nora Bossong Satzanfänge aus einer Schale, ganz nach dem Zufallsprinzip – und vervollständigte höchst auskunftsfreudig.
Wenn mich jemand im Alter von fünf Jahren nach meinem Berufswunsch gefragt hätte...
...das ist einfach! Ministrantin. Ich dachte damals, das wäre ein Hauptberuf. Mir gefiel das Feierliche so. Gerade hol’ ich das nach, seit Ostern bin ich Ministrantin. Ein Ziel meiner Zeit hier im Ruhrgebiet ist, Bischof Overbeck davon zu überzeugen, dass ich auch im Essener Dom dringend ministrieren muss (lacht).
Wenn ich ein Tier wäre...
...dann wahrscheinlich ein Eichhörnchen, dann müsste ich die Frisur nicht so verändern.
Für den Fall, dass mir beim Schreiben nichts einfällt...
...habe ich Bücher um mich rum, die mir Inspirationen geben. Gedichte helfen sehr gut, ein paar Romane auch, die ich sehr mag. Aber auch Musik – von Mozart bis zu den Beatles.
Keine Zeile bringe ich zustande...
...wenn ich mich sehr unwohl fühle in einer Gegend. Meistens auch in Hotelzimmern. Und auch keine, wenn das WLAN an ist.
Am Ende meines Ruhrgebiets-Aufenthaltes möchte ich über meine Zeit hier sagen können...
...dass ich Ministrantin im Essener Dom war (lacht). Dass ich noch mehr als nur Essen kenne und dass mich vielleicht auch ein paar Ruhrgebietsleute ein bisschen kennen.
Eine Metropole ist für mich...
...eine Gegend, in der sehr unterschiedliche Lebensweisen aufeinandertreffen. In der man nicht mehr mit dem Rad von A nach B kommt, sondern es eine S- oder U-Bahn geben muss. Und mehr als ein Fußballteam, ein Theater, eine Uni. Ich würde tatsächlich sagen, dass echte Metropolen in Deutschland nur das Ruhrgebiet und Berlin sind.
Im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken bin ich...
...im Bereich „Ethische und politische Grundsatzfragen“ – find ich super, gleich die ganz großen Themen! Man kommt durchaus an seine Grenzen zur Konsensmeinung, etwa in Debatten, die mit dem weiblichen Körper zu tun haben.
Männer lesen gern „Lassiter“-Hefte, weil...
...man mit den Helden Schurken verjagen kann! Wildwest-Geschichten fand ich als Kind toll. Die große Frage meine Grundschulzeit war: Bin ich lieber Winnetou oder Old Shatterhand? Ich wollte nie Nscho-tschi oder oder Ribanna sein, wirklich nicht!
Ein Kinderbuch, das ich heftig geliebt habe, war...
...Ronja Räubertochter, weil die Freundschaft von Ronja und Birk einfach so stark war. Ich hatte keine Geschwister, darum hat mich das besonders fasziniert.
Wenn eine Sache in meiner Küche nie fehlt…
...Espresso-Pulver und Zucker, sonst ist Katastrophe!
Ein Buch lege ich entnervt weg...
...wenn es auf eine unangenehme Art belehrend ist.
Den Literaturnobelpreis finde ich...
...immer noch ein gutes Instrument, um Orientierung zu schaffen. Aber er ist entweder modernisierungsbedürftig oder es muss andere Preise dieses Ranges geben, die in anderen Weltregionen beheimatet sind. Die Fehlentscheidungen, die es gab, die liegen in der Natur der Sache, es gibt keinen Literaturpreis, der keine hatte. Aber schon, dass an einem Tag des Jahres so viele Menschen auf Literatur schauen, ist ein Verdienst. Herta Müller wäre ohne ihn nie derart bekannt geworden.
Manche Frauen mögen Arztromane, weil...
Wahrscheinlich sind sie beliebt, weil man Mädchen oft noch beibringt, ihr Leben wäre sinnhaft, wenn sie den Oberarzt für sich gewinnen – statt die Geschichte zu erzählen, dass es auch ganz cool ist, selbst Ärztin zu werden.
Fitnessstudios sind für mich...
...neuerdings gut. Das war das erste, was ich in Essen ausgekundschaftet habe! In Duisburg traue ich mich noch nicht (lacht), aber seit Anfang des Jahres bin ich Fan, nachdem ich seit meiner Schulzeit echt ein Sportmuffel war.
Was mich immer zum Lachen bringt...
… ein paar Freunde, die das immer schaffen. Wahrscheinlich sind es deshalb meine Freunde, weil ich Menschen gern hab’, die mich zum Lachen bringen können.
Aufzeichnung: Lars von der Gönna
Stipendium der Brost-Stiftung
Wie Kolleginnen und Kollegen vor ihr (etwa Raphaela Edelbauer, Ingo Schulz) ermöglicht die Brost-Stiftung Nora Bossong den Aufenthalt als Metropolenschreiberin. Seit 2017 können so Literaten „im Ruhrgebiet leben, um Menschen und Kultur zu erkunden“. Die Stiftung wurde in Erfüllung des Testaments von Anneliese Brost gegründet.
Nora Bossong wurde 1982 geboren. Ihr Vater Horst war viele Jahre Hochschullehrer in Essen, Nora Bossong folgte ihm von Hamburg aber nicht an die Ruhr. Heute lebt sie in Berlin. Zu ihren erfolgreichsten Werken gehören „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ und „Schutzzone“. Ihre erste Lesung als Metropolenschreiberin ist am 31. Mai, 19 Uhr, in der Brost-Stiftung, Zeißbogen 28, Essen. Eintritt frei, Anmeldung: veranstaltungen@broststiftung.ruhr