Düsseldorf/Marl. Die Hoffnung, die fatale Fehlentscheidung des Marler Stadtrats, der das Umbauprojekt Marschall 66 zu Fall brachte, korrigieren zu können, steigt.
Das drohende Aus für das Skulpturenmuseum der Stadt Marl nicht nur die Ruhrkunstmuseen und den deutschen Kunstkritiker-Verband Aica, sondern auch große Teile der NRW-Kunstszene alarmiert. Der Kölner Kunsthallen-Betreiber Jochen Heufelder etwa schrieb, das Skulpturenmuseum sei beispielgebend gewesen: „Wenn eine Stadt will, kann sie mit kleinem Aufwand Großes für die Kultur leisten, ohne direkt Unsummen für einen Neubau ausgeben zu müssen“. Eine private Initiative sammelte landesweit innerhalb von zwei Wochen mehrere Hundert Protest-Unterschriften gegen den Beschluss des Marler Stadtrats, der sich im Dezember 2022 zum zweiten Mal mit hauchdünner Stimmenmehrheit gegen das leidenschaftliche Plädoyer von Bürgermeister Werner Arndt (SPD) geweigert hatte, sieben Millionen Euro Zusatzkosten für das Projekt Marschall 66 zu bewilligen – womit auch elf Millionen Euro Fördergeld von Bund und Land nicht mehr in Anspruch genommen werden können.
Nun setzt auch die Kunststiftung NRW ein Ausrufezeichen: Sie belebt ihren seit 2020 brachliegenden Nam-June-Paik-Preis für Medienkunst. Verliehen wird er in diesem Jahr an die Multimediakünstlerin Camille Norment: Die 1970 in den USA geborene und in Norwegen lebende Künstlerin hat einen „Glass Sound Pavilion“ für das Skulpturenmuseum Marl entworfen, eine ortsspezifische Installation für den Außenraum des Museums. Dafür erhält sie den Preis, der mit 25.000 Euro dotiert ist. Das Werk biete eine neue Perspektive auf den Park des Museums und lade ein, sich körperlich und klanglich mit der Umgebung zu verbinden, erklärte die Jury. In ihren Zeichnungen, Installationen, Performances und Kompositionen entwickle Camille Norment eine kulturelle Psychoakustik, sie reflektiert Machtstrukturen und Evolution durch Klang und Musik.
Marschall 66 sollte eine neue kulturelle Mitte für Marl werden
Zeitgleich bringt nun der Museums-Freundeskreis Habakuk das Magazin „Transparenz“ heraus, das die großen Vorteile des Umbauprojekts Marschall 66 darstellt, mit dem Marl eine neue kulturelle Mitte erhalten würde, die zugleich von Schulen umgeben ist.
Für den Umbau der ehemaligen Schule, die das Museum, die ohnehin sanierungsbedürftige Stadtbücherei und Teile der Volkshochschule aufnehmen soll, stellten Bund und Land mit rund 11 Millionen Euro die Hälfte der Kosten bereit. Dass es zu Mehrkosten kam, lag an der Corona-Pandemie und Genehmigungsverzögerungen – sie führten zu gestiegenen Baupreisen. Aber: Die Architekten des Umbaus haben in der Zeit die Bausubstanz der ehemaligen Schule genau unter die Lupe genommen – so kennt man das Gebäude derart genau, dass die sonst üblichen Kostensteigerungen bei öffentlichen Bauten durch Überraschungen in der Bauzeit so gut wie ausgeschlossen sind. Außerdem muss die Stadt Kosten für eine Sanierung der Stadtbücherei ohnehin aufbringen – die Ko-Finanzierung von Bund und Land aber, die nun wegzufallen droht, könnte diese Summe (etwa 1,5 Millionen Euro) mehr als kompensieren. Ohnehin entstehen durch die Auslagerung des Skulpturenmuseums aus dem „Glaskasten“ des Rathauses derzeit etwa 75.000 Euro Lagerkosten pro Jahr.
Dabei sollte das neue Kulturzentrum, das den Skulpturenpark des Museums gleich vor der Tür hätte, den alten Glaskasten ersetzen. Die Hoffnung war, dass sich hier ein neuer Magnet auch für junge Leute und Familien bildet – davon angeregt hatten sich auch schnell Investoren für ein nahegelegenes Neubaugebiet gefunden. Ob die nun bei ihren Plänen bleiben, ist offenbar noch ungewiss.