Dortmund. Der 35-jährige Dirigent Jordan de Souza stellte sich jetzt in Dortmunds Konzerthaus vor. Manche handeln ihn als nächsten Generalmusikdirektor.
Im Juni 2024 wird Gabriel Feltz nach einer doch sehr erfolgreichen Zeit den Taktstock als Generalmusikdirektor (GMD) von Dortmund niederlegen. „Zehn Jahre reichen“, pflegt er zu sagen.
Noch eineinviertel Jahre, eine lange Zeit? Mitnichten. Es ist die höchste, eine Nachfolgerin, einen Nachfolger zu suchen. Das Branche funktioniert international, wer eine gute Personalie vorweisen will, muss früh dran sein. Am Dienstag dürfte sich einer der heißesten Kandidaten vorgestellt haben, auch wenn das nur einem kleinen Teil des Publikums (wachen Ohres im Saal: u. a Opernintendant Germeshausen und Kulturdezernent Stüdemann, zugleich Stadtdirektor) klar gewesen sein wird.
Der Mann heißt Jordan de Souza, mit gerade mal 29 wurde er 1. Kapellmeister der Komischen Oper Berlin, in der Hauptstadt steht er außerdem dieser Tage fünf Mal am Pult der Deutschen Oper, für die legendäre „La Bohème“ von Götz Friedrich. Sieht man die Vita, darf man sagen: Mehr Weltbürger geht nicht. De Souzas Eltern verlassen in den 1970ern das indische Goa Richtung Kanada. In Toronto wird Jordan, der sieben Geschwister hat, geboren. Die Liebe zur Musik zeigt sich früh, er legt einen Bachelor im Fach Orgel ab, aber die Liebe, viele Musiker im Konzert zu verschmelzen wird zur Leitplanke der Karriere.
Der Kanadier Jordan de Souza könnte Generalmusikdirektor in Dortmund werden
Heute dirigiert Jordan de Souza, zweifacher Familienvater und nicht zuletzt ein talentierter Sänger, das BBC Orchestra, die Sinfoniker von Montreal; die Bayerische Staatsoper bat ihn ans Pult der „Zauberflöte“, er deutet Wagner in Zürich und Puccini im noblen Glyndebourne. Seine Fähigkeit, mit dem Orchester zu kommunizieren, seine Sorgfalt, seine „ansteckende Energie“ loben viele, die mit ihm gearbeitet haben.
Und nun Dortmund, wo er (nach einer „Zauberflöte“ letzten November im Opernhaus) Dienstag und Mittwoch das „Philharmonische Konzert“ leitete. Präzision, Zugewandtheit, ein spürbarer Fluss inspirierender physischer Präsenz, tänzerisch fast, nie aber schaumschlagend für die Galerie: So erlebte man de Souza. Indes haben Dortmunds Philharmoniker inzwischen eine so hohe Klangkultur, dass es nicht leicht fällt, die Meriten, die vor allem im vertrackten Gewebe von Debussys „La Mer“ subtilste Farbenspiele neben monumentaler Breitwandmalerei zeitigen, vor allem dem Dirigenten zuzuschreiben.
Noch zu laut das Konzerthaus mit Klang geflutet, aber das lässt sich gut abstellen
Spätestens im finalen Aufbranden des impressionistischen Klassikers zeigte sich freilich die einzige Schwäche des GMD-Kandidaten: Er kennt den Saal nicht: Und je lauter man im hochsensiblen Konzerthaus dirigiert, desto weniger gute Musik kommt im Parkett an. Das eskalierte bei „Porgy and Bess. A Concert of Songs“ fast ohrenbetäubend. Mitreißend war der Abend trotzdem; das Publikum jubelte lange.