Dortmund. Alle neun Beethoven-Sinfonien an einem Tag! Wie Dortmunds Generalmusikdirektor Feltz sich auf den Marathon vorbereitet, verrät er im Interview

Beethoven von morgens bis abends: Es sollte ein Geburtstagsgeschenk zum 250. werden. Aber 2020 fiel alles flach. Nun aber: Dortmunds Generalmusikdirektor stemmt mit zwei Orchestern alle neun Sinfonien an einem Tag. Lars von der Gönna sprach mit Gabriel Feltz (50) über seine erste Begegnung mit Beethoven, die Anforderung des Werks und die Energie – in den Noten und „auf dem Platz“.

Auch ein Marathon besteht aus vielen kleinen Schritten. Was waren Ihre ersten zu Beethoven?

Feltz: Ganz klassisch: eine Schallplatte mit der fünften Sinfonie, ausgerechnet das legendäre Konzert von Wilhelm Furtwängler 1947 im Berliner Titaniapalast nach seiner Entnazifizierung. Die Platte war dick wie eine Scheibe Brot, die Qualität grauenvoll, aber es ging gleich in die DNA! Ich war fünf oder sechs.

Ein Alter, in dem man noch nicht analysiert. Was hat Sie gepackt?

Was mich heute auch noch an Beethoven fasziniert: diese elementare Kraft! Beethoven ist unglaublich direkt. Klar gibt es viele Ebenen bei ihm, auch ein philosophisches Nirwana. Aber vielerorts ist Beethoven super konkret, super klar, geradezu in Stein gemeißelt wie eine Statue von Michelangelo. Das Packende hat mich mitgerissen.

Ketzerisch frage ich: Sind Sie verrückt, alle Neune an einem Tag zu spielen? Wenn ich hinhöre, bin ich mit einem Satz aus der Eroica so gefordert, dass ich mich Tage damit einschließen könnte...

Ich verstehe die Vorbehalte. Es ging mir nicht um ein „Höher, Weiter, Schneller“. Mich hat gereizt, dass „meine“ beiden Orchester sich bei einem Projekt im Zeichen europäischer Verständigung kennenlernen. Und es sollte etwas Besonderes zu „250 Jahre Beethoven“ sein. Aber es muss ja auch niemand alle hören. Wir haben einen Verkauf, der von einem Konzert bis zum kompletten Paket alles möglich macht.

Was raten Sie Besuchern?

Ich würde mir überlegen: Was ist mir wichtig? Man könnte sich auf die „Ungeraden“ 1, 3, 5, 7, 9 konzentrieren. Für manche wird es nur die Neunte sein. Aber toll wäre schon, wenn sich viele dem ganzen Tag stellten. Es ist ja auch spannend, die zwei Orchester zu vergleichen.

Sie sind ein sehr erfahrener Beethoven-Dirigent. Erschwert diese tiefe Kenntnis des Werks, zum Besten zu gelangen, weil man über die Jahre ja die Tücken und Hürden erkannt hat?

Es wird anspruchsvoller. Ich hab allein 40 Mal die Fünfte dirigiert. Das ist absolut kein Grund zu sagen „Ich kann das alles“. Die Probleme werden eher größer. Die Achte fordert mich besonders heraus, in ihrem Humor, ihren gewagten Wendungen. Bei der werd’ ich richtig nervös sein.

Die Orchester wechseln sich beim Marathon ab. Sie bleiben. Sie haben sich mit einer Profi-Sportlerin vorbereitet: Was haben Sie von Jana Hartmann, der Meisterin im Mittelstreckenlauf, noch lernen können?

Ich bereite mich sportlich seit Monaten vor. Ich war früher ein guter Sprinter; über Jana Hartmanns Tipps zur Armhaltung hab ich jetzt tatsächlich wieder mehr Tempo gekriegt. Hilft mir übrigens auch, wenn ich mit meinem zwölfjährigen Sohn und seinen Freunden Fußball spiele (lacht). Aber die mentale Vorbereitung ist im Grunde noch wichtiger.

Zum Mentalen: Was geschieht bei Ihnen in den letzten Minuten, bevor Sie vor dem Orchester stehen?

Ich werfe Ballast ab, Mails, Termine. Herz und Hirn müssen frei sein. Wir sind ein Brennglas des Komponisten. Dazu braucht es ein Zurücknehmen, sonst erreichen wir das Ziel nicht: der Musik zu dienen.

INFORMATIONEN ZU KARTEN UND PREISEN

Am 19. Juni ab 10 Uhr gibt es im Dortmunder Konzerthaus den Beethoven-Marathon. Insgesamt sind 250 Musiker beteiligt. Mit den Belgrader Sinfonikern und den Dortmunder Philharmonikern spielen zwei Orchester, denen Gabriel Feltz als Chef vorsteht. Bei der Neunten stößt neben Solisten der Slowakische Philharmonische Chor Bratislava dazu.

Einzelkarten gibt es ab 19 €.
Pakete für den kompletten Marathon gibt es ab 82,35 €. Karten sind unter Tel. 0231-50 27222 oder www.theaterdo.de erhältlich.