Oberhausen. Das älteste Kurzfilmfestival der Welt kann wieder ganz ohne Pandemie-Regeln auftrumpfen. Unser Ausblick auf das Festival in Oberhausen.
Spielfilme, Dokus und Animationen, Experimente, Kunst, Autobiografisches – und manchmal auch alles zusammen: Mit den Oberhausener Kurzfilmtagen geht ab Mittwoch, 26. April, das älteste Kurzfilmfestival der Welt an den Start, das gleichzeitig als eines der renommiertesten gilt. Sabine Niewalda vom Festivalteam spricht von einem „Nischen-Marktführer“, der sich auch in diesem Jahr vorgenommen hat, die wilde, weite, oftmals unbekannte Welt der filmischen Miniaturen zu feiern.
120 Filme in fünf Wettbewerben: Oberhausens Kurzfilmtage starten
Und das dürfte auch gelingen. Die Ausstattung der 69. Auflage jedenfalls kann sich sehen lassen: Rund 500 Filme stehen auf dem Spielplan. 120 davon treten bei fünf Wettbewerben an, darunter 53 Weltpremieren. Neben dem besten deutschen Beitrag wird der beste NRW-Film, der beste Kinder- und Jugendfilm und die beste internationale Arbeit kürt. Hier gibt es 48 Kandidaten, vertreten sind etwa die USA, China und die Ukraine.
Und dann gibt es da noch den „Muvi-Preis“, der das beste Musikvideo auszeichnet. In diesem Bereich feiert Oberhausen ein rundes Jubiläum. Vor 25 Jahren wurde der Preis zum ersten Mal vergeben. Anlass für eine große Retrospektive aller Gewinner seit 1999.
Bis zum 1. Mai dauert das Festival. Eine knappe Woche, um die enorme Vielfalt des Kurzfilms abzubilden. „Kurzfilmmacher sind viel freier in der Art, wie sie ein Thema angehen“, schildert Niewalda. Das kleine, weniger kostspielige Format bietet mehr Raum für frische Ideen und mutige Experimente.
Die Kurzfilmtage Oberhausen dauern bis zum 1. Mai
Das will die Filmschau nun beweisen. Niewalda freut sich in diesem Jahr auf ein ganz reales Treffen der Filmfans und -experten, das wieder ohne Corona-Beschränkungen gefeiert werden kann. 1000 Fachbesucher aus aller Welt haben sich angemeldet. Rund 6300 Beiträge wurden eingereicht, eine schöne Bilanz. Insgesamt vergibt das Festival Preise von über 43.000 Euro.
Die Filme, in der Regel zwischen fünf und 30 Minuten kurz, werden in 120 Programmen gezeigt. Auch fünf Werkschauen zählen dazu, bei denen Beiträge der Künstler und Künstlerinnen Marcel Broodthaers, Lynne Sax, Teboho Edkins, Alexandra Gulea und Yamashiro Chikako vorgestellt werden. Und unter dem Titel „Against Gravity – The Art of Machinima“ sind Filme des jungen Genres Machinima zu sehen; sie entstehen mit Hilfe von Video- und Computerspielen.
Acht Filme hat der NRW-Wettbewerb zu bieten. Hier haben sich etwa Oliver Gather und Frauke Berg für „Sounds for a wounded landscape“ bei den Protesten von Lützerath umgeschaut. Mit einer experimentellen Soundcollage bringen sie die Kraterlandschaft des Braunkohletagebaus Garzweiler ins Kino, Bilder wie aus einer anderen Welt. Sie blicken über die Abrisskante, halten Pressekonferenzen fest – beobachten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Demonstrant hält ein Schild hoch: „Schämt Euch!“
Frau Michels und die Politik: Auch der Spielfilm kommt zu seinem Recht
Und überhaupt, die Politik. Sie spielt auch diesmal eine Rolle. Im deutschen Wettbewerb (17 Beiträge) ist „Kanal 82“ von Zeynep Tuna und Nino Klingler vertreten, eine durchgeknallte Satire über die Medienzensur der türkischen Regierung. Die in Teheran geborene Regisseurin Narges Kalhor hat für ihren Film „Sensitive Content“ Handyvideos verarbeitet, die die Proteste der Frauen im Iran gegen das Mullah-Regime dokumentieren. Ein fragmentarischer Zusammenschnitt mit krasser Wirkung. Schüsse, Schreie und Befehle malen für sich allein ein Bild des Schreckens. Vom 16. September bis 7. Dezember 2022 wurden 548 Menschen ermordet, liest man am Ende.
Weitaus subtiler kommt „...Und der Sünder bereut“ daher, ein herrlich böser Film, den die Kölner Filmemacherin Marion Kellmann aus Szenen 50 deutscher Heimatfilme montierte. Ein Spiel mit Klischees, beherztes Jodeln inklusive. Und ebenfalls ein Kandidat für den NRW-Wettbewerb. Hier rauscht der Bach, pfeifen die Murmeltiere. Männer gehen auf die Jagd, während Frauen Blumen arrangieren. Dann gerät die Idylle in Gefahr.
Filmlänge der Beiträge für Oberhausen: von 13 Sekunden bis 30 Minuten
Einen rabenschwarzen Animationsfilm hat indes der Berliner Ulu Braun gedreht. In „St. Mickeyland“ schickt er bekannte Trickfilmhelden in eine verdorrte, unwirtliche Landschaft, wo sie auf Medien-Ikonen treffen. Schneewittchen setzt sich eine Heroin-Spritze, Lucky Luke ballert herum, Garfield streichelt eine Schlange – Duffy Ducks Schädel liegt im Staub. Resignation in Kunterbunt.
Und schließlich dürfen auch die Spielfilme nicht fehlen, die manchmal tatsächlich selbst in Mini-Formate passen. Hierfür ist „Frau Michels dreht die Zeit zurück“ von Sophia Groening, Trägerin des Deutschen Kurzfilmpreises 2022, typisch. Sie erzählt von einer Frau, die sich für ihren Physiotherapeuten Herrn Alvarez hübsch macht, um in der Praxis enttäuscht festzustellen, dass er nicht da ist. Sie trinkt sich Mut an und sinnt auf Rache...
Es darf also einmal mehr gestaunt werden über die Palette an Themen und Möglichkeiten – und auch über die Fähigkeit, sich knapp zu fassen. Der kürzeste Film der Wettbewerbsgeschichte dauerte gerade mal 13 Sekunden.
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SPIELORTE UND TICKETS
Spielorte des Festivals sind der Lichtburg Filmpalast Oberhausen, Elsässer Str. 26, und das Kino im Walzenlager, Hansastraße 20. Das Programm steht online auf www.kurzfilmtage.de
Dort gibt es auch die Tickets: Einzeltickets kosten acht Euro (ermäßigt fünf Euro), das 10er-Ticket gibt es für 40 Euro. Karten für das Kinder- und Jugendkino kosten drei Euro.
Bis 29. April stehen alle 12 Kandidaten für den Musikvideo-Preis, den MuVi-Preis, online (www.muvipreis.de). Jeder kann sich die Beiträge anschauen und die Stimme für seinen/ihren Lieblingsclip abgeben.
Der MuVi Online-Publikumspreis ist mit 500 Euro dotiert und wird am Samstag, 29. April, zusammen mit den MuVi-Preisen der Jury bekanntgegeben.