Essen. Rafael Rozendaals Digitalkunst im Folkwang: Als erstes großes deutsches Museum widmet das Essener Haus dem Niederländer eine Einzel-Ausstellung.

Dass die durch und durch digitalen Werke von Rafael Rozendaal mit Zeichenstift und Skizzenbuch beginnen, mag man kaum glauben angesichts der vielen Bildschirme, die für die Rozendaal-Ausstellung des Essener Folkwang nötig sind. Als erstes deutsches Museum der A-Liga widmet es einem NFT-Künstler eine große Ausstellung, dessen Werke also digital als Unikate existieren und wie Kryptowährungen in einer Blockchain auf Servern aufbewahrt werden.

Im Kunsthandel gab es ab 2020 einen Hype mit NFT-Kunst. Allerdings entwickelte er sich ähnlich wie die Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre – inzwischen gibt es auch Bedenken wegen Geldwäsche-Gefahren und dem enormen Energieverbrauch solcher Werke durch die Blockchain-Speicherung.

Rafael Rozendaal baute Internet-Seiten selbst, die nur aus Kunst bestanden

Rafael Rozendaal auf der Medientreppe in der Funke-Konzernzentrale in Essen.
Rafael Rozendaal auf der Medientreppe in der Funke-Konzernzentrale in Essen. © FFs | Fabian Strauch

Um all das müssen sich die Sammler von Rafael Rozendaal, der 1980 als Sohn eines Künstler-Paars zur Welt kam, erst einmal keine Sorgen machen. Seine Werke, deren Preis bei 500 Dollar anfängt (das wollte Folkwang-Chef Peter Gorschlüter im Museum selbstverständlich überhaupt nicht thematisiert wissen), taugen – noch – nicht zur Geldwäsche – und sie sind auf geradezu unfassbare Weise datensparend. Die gesamte Ausstellung im Museum Folkwang umfasst ein Datenvolumen von rund 400 kB, das entspricht in etwa acht E-Mails oder einer Mail mit Bild. Und Leihverhandlungen mit den Sammlern dieser Werke sind auch kurz: „Ich sage ,Hi!’ auf Twitter – und sie sind einverstanden“, schmunzelt Rozendaal.

Die Farben seiner durch und durch abstrakten, geometrischen Kompositionen sind eindeutig und klar, leuchtend bis grell. Sie sind so einfach, dass sie unmittelbar aus der Frühzeit des Internets zu stammen scheinen. Anfang der 2000er-Jahre hat der Niederländer damit begonnen, seine Kunst auf selbstgebauten Internet-Seiten zu produzieren: Anders als andere Seiten boten sie nicht etwa Informationen, sie zeigten nicht Werke des Künstlers, vielmehr war jede einzelne Seite selbst das Werk. Dass die Kunstwelt auf diese Seiten aufmerksam wurde, führt Rafael Rozendaal mit einem schelmischen Lächeln auf die Gunst der damaligen Stunde zurück: „Da war das Internet noch sehr leer.“

Statt William Forsythes „City of Abstracts“ nun neun Homepages und zwei NFTs

Nun empfangen die bewegten Farbenspiele die Kunstfans auf der großen Bildwand im Foyer des Folkwang (auf der lange Zeit Bill Forsythes Videoarbeit „City of Abstracts“ zu sehen war). Hier wechseln sich jetzt neun verschiedene Homepages mit zweien seiner NFT-Werke ab. Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei übrigens nicht im Spiel: „Ich versuche in meiner Kunst, zu reduzieren, zu vereinfachen – mit KI geschieht ja das Gegenteil!“ Rozendaal sieht sich selbst zu Recht in der Tradition der Konzeptkunst aus den 60er-Jahren, mit der die Entmaterialisierung der Kunst begonnen hat – Lawrence Weiner, Jan Dibbets, Sol LeWitt sind seine Referenzpunkte

Das Folkwang wandle sich mit der Rozendaal-Kunst denn auch „vom Museum der Dinge zum Museum der Ideen und Erfahrungen“, befindet wiederum Folkwang Direktor Peter Gorschlüter.

Rafael Rozendaal: Kunst im Wohnzimmer schaffen – wie bei René Magritte

Ein weiterer Referenzpunkt für Rozendaal ist Josef Albers, neben dessen „Homage to the Square, Sonorous“ im „Neue Welten“-Saal des Folkwang auf einem Bildschirm Quadrate farblich wie in ihren Dimensionen ständig im Fluss sind. Sie strahlen in ihrer leuchtenden Farbigkeit auch weithin nach draußen ins Museums-Umfeld. An Albers’ malende Farbforschung erinnert schließlich auch die Groß-Arbeit „81 Horizonts“ mit ebensovielen (rechteckigen) Bildschirmen im Dunkel der Folkwang-Halle: immer zwei monochrome Farbstreifen im immergleichen Verhältnis lassen an völlig unterschiedliche Landschaften denken.

Wie René Magritte, der in seinem Wohnzimmer malte und zum Essen dann die Staffelei beiseite räumte, ist auch für Rozendaal Arbeit und Leben eins; seine gesamte Kunst passe auf ein Laptop – „und das habe ich im Wohnzimmer: Nie arbeitend und nie nicht arbeitend.“ Zwei Stunden am Tag aber sind für Zeichenstift und Skizzenblock reserviert.

Rafael Rozendaal: Color, Code, Communication. Museum Folkwang, bis 20. August. Geöffnet: Sa/So/Di/Mi 10-18 Uhr, Do/Fr 10-20 Uhr. Eintritt: 8 €, erm. 5 €. Künstlerbuch „81 Horizonts“: 48 €. Jeden Donnerstag kostenlose Führungen „Von den Romantikern bis Rozendaal“.