Duisburg. Die Duisburger Küppersmühle widmet dem führenden Abstrakten der 50er- und 60er-Jahre Ernst-Wilhelm Nay eine Retrospektive. Spannende Früh-Zeit.
Ernst-Wilhelm Nay (1902-1968) gehörte zu den gar nicht so wenigen Malern, die mit ihrer Kunst während des Zweiten Weltkriegs in Diensten der Wehrmacht überwinterten. Nay war Kartenzeichner in der französischen Etappe in Le Mans, wo er im Atelier eines französischen Amateurbildhauers sogar wieder in Öl malen konnte. Dabei waren zwei seiner Bilder 1937 in der Denunziations-Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt worden.
Über Nay, der sich als Schüler des expressionistisch-realistischen Malers Karl Hofer Ende der 20er-Jahre bereits einen Namen gemacht hatte, war zuvor schon mit der Machtergreifung der Nazis ein Ausstellungsverbot verhängt worden, was staatliche Museen anbetraf. Beihilfen für Mal-Material bekam er gleichwohl – und sein großer Förderer Carl Georg Heise, der als Direktor des Museums St. Annen in Lübeck ebenfalls von den Nazis entlassen worden war, besorgte dem Maler eine Unterstützung von Edvard Munch, mit der Nay 1937 drei Sommermonate auf den Lofoten verbringen konnte. Der Verkauf seiner Bilder in Norwegen war so erfolgreich, dass es 1938 für eine weitere Reise dorthin reichte.
Museum Küppersmühle zeigt Nay nach Hamburger Kunsthalle und Museum Wiesbaden
Nays wild bewegte Bilder von den Lofoten, die eine erstaunliche Verwandtschaft zu Ernst Ludwig Kirchners späten Bildern aufweisen, und seine furios in die Abstraktion voranschreitenden Gemälde aus Frankreich gehören zu den überraschendsten Bildern der aktuellen Ernst-Wilhelm-Nay-Retrospektive, die jetzt das Duisburger Museum Küppersmühle nach der Hamburger Kunsthalle und dem Museum Wiesbaden zeigt.
Selbstverständlich gehören auch die „klassischen“ Nay-Bilder der 50er- und 60er-Jahre, mit denen der Maler auf der Documenta, aber auch auf der Biennale in Venedig reüssierte, zum Bestand der Schau. Sie erzielen nach wie vor sechsstellige und höhere Preise, wie erst gerade wieder auf der Art Düsseldorf festzustellen war. Nays Weg in eine Abstraktion, die keine gestische Malerei war wie das zeitgleich aufkommende Informel als weltanschaulich unverdächtiges Ausweichen in Gegenstandslosigkeit, ist in Duisburg als konsequente Entwicklung zu besichtigen, von den Anfängen mit einem intensiven Selbstporträt über Picasso-Anklänge in den 30er-Jahren bis zu den „Augen-“ und „Scheiben-Bildern“ der frühen Bundesrepublik und dem späten „Gelb-Rosa“, das kaum weniger Farbforschungsqualität aufweist als die Bilder von Josef Albers. „Der Mensch“, schrieb Nay einmal, „tritt nie deutlicher zutage als in der freiesten Erfindung der Abstraktion“. In Duisburg in der Küppersmühle ist auch das deutlich zu sehen.