Bochum. Ein Fest auf Tasten: Fünf Mal steht Starpianist Kit Armstrong jetzt in Bochum auf der Bühne. Der Leitfaden: 500 Jahre Klaviermusik. Ein Interview.
Mit 31 muss auch mal Schluss sein mit dem Thema Wunderkind. Kit Armstrong mochte das ohnehin nie. Und doch: Normalsterblichen geht das Staunen nicht aus, über einen, der mit neun Monaten sprach und schon im Grundschulalter Physik studierte. Lars von der Gönna traf den perfekt Deutsch sprechenden Kalifornier natürlich als den seit Jahren gefeierten Pianisten. Dieses Wochenende steht Armstrong beim Klavierfestival stolze fünf Mal auf der Bühne, stets als Zeitreisender sozusagen...
Sie sind mit Ihrem großen Projekt praktisch der Gratulant eines Geburtstages: „500 Jahre Klaviermusik“. Wozu gratulieren Sie?
Armstrong: Tatsächlich ist unser Projekt eine Hommage an etwas, was ich sehr verehre. Was genau? Ist es das Instrument? Die Tradition? Die Literatur, die geniale Komponisten schufen? Für mich ist es eine schöne Mischung aus allem, auch weil der Zusammenschluss der Faktoren erst ein solches Projekt ermöglicht.
Vorspiel zum Klavierfestival: Kit Armstrong gibt am Wochenende fünf Konzerte in Bochum
Sie habe für jede Epoche eine Auswahl getroffen. Aber hat man nicht alle seine Kinder lieb, war es schwer, geliebte Stücke draußen zu lassen?
Ja und nein. Natürlich gibt es den Moment des Bedauerns, wenn man bei der Programmzusammenstellung feststellt, dass ein Werk nicht hineinpasst. Andererseits bin ich ja noch jung genug, Bei einer Fortsetzung wäre es sicher nicht weniger reizvoll, ja, es wäre mir sogar ein Anliegen, eine andere Geschichte zu erzählen.
Kit Armstrong lädt am Flügel zu einer Zeitreise ein, es gibt noch Karten
Ihr anfänglicher Zugang zu Klaviermusik fasziniert, weil er dem Publikum so nah ist: „weil ich sie schön fand“. Also nicht erst die Analyse, sondern das zu Herzen Gehende. Muss man das später, wenn man die Werke durchdringt, schützen?
Natürlich muss man auch in einem Museum erst einmal hinschauen, um Interesse zu bekommen. So war es bei mir mit der Musik. Was mich im ersten Moment angelockt hat, war sicherlich die universelle Schönheit, die in unserer Musik liegt. Das ist im Prinzip eine mathematische Feststellung. Die Analyse dieser Musik ist der Weg, besser erklären zu können, warum sie überhaupt diese Wirkung gehabt hat. Insofern sind diese beiden Zugänge für mich gar kein Widerspruch.
Wenn wir an diesem Wochenende Dutzenden Werke hören, dürfen wir sie wie die Bausteine eines Hauses verstehen, das wir „Klassik“ nennen? Wenn man im Keller einen fundamentalen Ziegel wie Bach nicht hätte, könnte dann oben kein Mozart oder Gershwin sein?
Jeder Versuch, diese Frage zu beantworten, wäre unwissenschaftlich. Man kann nicht wissen, wie es gelaufen wäre, wenn ein Element gefehlt hätte. Aber die Frage ist schon interessant. Ich glaube, viele Komponisten hatten ein unvollständiges Wissen über die Vergangenheit. Dennoch: Ja, ich bin einer, der zu der Meinung tendiert, dass man vieles auf der Vergangenheit aufbauen kann. Ich bin selbst Komponist, ohne den Reichtum dieses Erbes würde meine musikalische Sprache nicht funktionieren.
Herr Armstrong, Sie haben ein großes Herz fürs Kochen. Ist die Parallele von sehr gutem Essen und einer erstklassigen Komposition: Man darf nicht schmecken, dass es vorher viel Arbeit gewesen ist?
Ich schätze es sehr, wenn wir erst den Genuss erleben – und vielleicht lange danach begreifen, dass es viel Mühe gekostet hat. Es gibt Kollegen, die empfänglich dafür sind, dass man spürt, wie hart ein Komponist für sein Ergebnis gearbeitet hat. Das inspiriert mich weniger. Ich bin ein großer Liebhaber der Natur. Und die Natur sucht immer den Weg des geringsten Widerstandes. Musik, die in dieser Tatsache der Natur entspricht, ist mir nah.
------------
KARTEN UND TERMINE
Kit Armstrongs Projekt „500 Jahre Klaviermusik“ findet an diesem Wochenende im Anneliese-Brost-Musikforum, Marienplatz 1, in Bochum statt.
Die fünf Konzerte und ihre zentralen Komponisten: Samstag, 17 Uhr, 1520-1620: „Das Goldene Zeitalter“ (Tallis, Sweelinck u.a.). 20 Uhr: 1620-1720: „Kontraste“ (Bach, Bull, Händel u.a.) Am Sonntag beginnt es um 11 Uhr mit Musik von 1720-1820: „Aufklärung“ (Haydn, Mozart, Beethoven u.a.). 17 Uhr: 1820-1920, „Visionen“ (Liszt, Chopin, Debussy u.a.). Und um 20 Uhr geht es um die Zeit von 1920 bis 2020: „Zwischen allen Kulturen“ (Rachmaninow, Gershwin u.a.).
Karten (35 €, erm. 25 €) für die Konzerte (im Paket günstiger) gibt es an der Tageskasse oder auf der Seite www.klavierfestival.de