Die Kinofilme „Return to Dust“ und „Lucy ist jetzt Gangster“ sind so unterschiedlich wie gelungen; für das NS-Drama „Der Zeuge“ gilt das nicht.

„Return to Dust“

Es ist eine arrangierte Ehe zwischen dem aufrechten, aber ungebildeten Bauern Ma Youtie und Cao Guiying, die seit einer schweren Misshandlung keine Kinder mehr bekommen kann. Außenseiter waren die beiden immer schon, in der Gemeinsamkeit erleben sie erstmals Zugewandtheit und Glück. Die meiste Zeit leistet Youtie (Renlin Wu) schwere Arbeit auf seinen Feldern. Guiying (Hai-Qing) wird ihm eine liebe, fleißige Gefährtin.

Eine Geschichte vom Lande erzählt der chinesische Filmautor Ruijun Li, die in der Zeichnung der Figuren und des Alltags wie eine von melodramatischem Ballast befreite Variation von Pearl S. Bucks „Die gute Erde“ wirkt. Schauplatz ist der Norden Chinas, das bäuerliche Tagwerk ist geprägt von harter körperlicher Arbeit. Wären nicht die Leute aus der Stadt mit BMW und Smartphone, die Geschichte hätte auch vor 80 Jahren spielen können.

Lis Regiestil ist geprägt von sanften Kamerafahrten und ruhiger Montage, was den landwirtschaftlichen Szenen dokumentarische Härte einimpft. Noch prägnanter sind die Momente von archaischer Poesie und tief empfundener Solidarität. Li zeigt China als ein Land, in dem der Bezug zur Natur verloren geht und die Gewinnsucht weniger auf dem Rücken vieler befriedigt wird, die sich nicht wehren können. Erstaunlich, wie sehr das in diesem Film aufwühlen kann.

„Lucy ist jetzt Gangster“

In „Lucy ist jetzt Gangster
In „Lucy ist jetzt Gangster" wird auch das Klauen geübt. © dpa | Wild Bunch

„Hi! Ich bin Lucy und irgendwann im Laufe dieser Geschichte werde ich eine Bank überfallen.“ So posaunt es selbstbewusst die zehnjährige Lucy – und genau so kommt es dann auch. Am Anfang steht ein dickes Malheur in der Eisdiele von Lucys Eltern (Franziska Wulff, Kostja Ullmann). Die neue Eismaschine streikt, die Bank verweigert den Kredit für eine neue und Onkel Carlo (Kailas Mahadevan) sagt, dass nur gewinnt, wer die Regeln selbst bestimmt. Also denkt Lucy um und Klassenrüpel Tristan wird ihr Trainer. Aber mal eben so von Null auf Böse ist gar nicht einfach.

Moral und gutes Gewissen oder eben nicht: Es geht um was in diesem erklärt märchenhaft erzählten Kinderfilm für die Zielgruppe aus der Grundschule. Rund um drei naseweise Gören agieren allerlei prominent besetzte Erwachsene (wie im deutschen Kinderfilm üblich) stets etwas überdrehter als nötig in betont idyllischem Kleinstadtambiente. Hier dominieren knallige Bonbonfarben, was richtig gut aussieht, aber die echte Frische bringt der Schnitt ein. Kinderkino mit Tempo? Gibt es, und es macht richtig viel Spaß.

„Der Zeuge“

„Der Zeuge“ von und mit Bernd Michael Lade (hier als Carl Schrade).  
„Der Zeuge“ von und mit Bernd Michael Lade (hier als Carl Schrade).   © Neue Visionen | Neue Visionen

Vor Gericht spricht Carl Schrade englisch. Als ehemaliger KZ-Häftling hat er allem Deutschen abgeschworen. Jetzt sagt er in einem improvisierten Nachkriegsprozess gegen SS-Männer und NSDAP-Funktionäre aus. Schrade kennt sie alle. Aber was war seine Rolle?

Das Filmdrama nimmt sich einmal mehr die Strippenzieher und Handlanger der Nazis vor: Ein Kammerspiel auf der Suche nach Opfern und Tätern von Bernd Michael Lade (Drehbuch, Regie, Hauptrolle), dessen Handlung auf Gerichtsprotokollen sowie den Memoiren des Juwelenhändlers Carl Schrade basiert; ein Kleinkrimineller, der in verschiedenen KZs einsaß. Nach dem Krieg tritt er als Kronzeuge vor einem US-Militärgericht auf.

Es liegt nicht an den Schauspielern, dass „Der Zeuge“ nicht recht überzeugen kann. Neben Lade, der authentisch spielt, prägt sich Lina Wendel als Ilse Koch, Frau des KZ-Kommandanten Karl Koch, ein. Ein kurzer Auftritt mit Wumms: Selten sah man in bösere Augen.

Trotzdem bleibt der Film mit seinem didaktischen Zugriff sperrig: Die Kamera zeigt fast nur Gesichter – aus einer Reihe hin und her übersetzter Aussagen will sich trotz unheilvoller Musik keine tragende Geschichte formen. Vielleicht eher ein Projekt für die Theaterbühne.