Essen. Ende der Unschuld: Der Film „Close“ blickt auf die Freundschaft von Léo und Rémi, einen plötzlichen Schicksalsschlag und die Sucht nach Leben.

Es ist ein herrlicher Sommer. Warm scheint die Sonne auf die Blumenfelder, die Léos Eltern bewirtschaften. Léo und Rémi erleben eine wunderbare Zeit. Sie spielen im Wald, toben in den Wiesen, fahren Fahrrad und schlafen nachts in einem Bett. In der neuen Schule jedoch wird ihre enge Freundschaft plötzlich zum Problem. „Seid ihr ein Paar?“, wollen die anderen Kinder wissen. Der Anfang vom Ende der Unschuld. Mit „Close“ legt der belgische Filmemacher Lukas Dhont („Girl“) eine zutiefst berührende, poetische Geschichte über das Erwachsenwerden vor. Jetzt kommt das vielfach ausgezeichnete Jugenddrama, eine belgisch-französisch-niederländische Koproduktion, auch hierzulande in die Kinos.

Mit Eden Dambrine (als Léo) und Gustav De Waele (Rémi) hat Regisseur Lukas Dhont schon mal einen Glücksgriff gelandet. Die beiden tragen mit ihrem frischen, unverbrauchten Spiel ganz wesentlich dazu bei, dass „Close“ ein richtig guter Film geworden ist. Wie die Jungdarsteller gleich zu Beginn ihre innere Nähe spürbar machen, wie man das allmähliche Ende ihrer Kindheit nachempfinden kann – das ist eine stramme Leistung.

Kamera rückt die Freundschaft ins hellste Licht

Ihre Freundschaft rückt die Kamera anfangs ins hellste Licht. Den Jungs, beide um die 12 Jahre, gehört der Sommer mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten. Sie sind unzertrennlich und ergänzen sich perfekt: auf der einen Seite der nachdenkliche Rémi – auf der anderen der heitere, sorglose Léo, den Rémis Mutter Sophie (Émilie Dequenne) „Herzenssohn“ nennt. Die zwei wollen immer zusammenbleiben, malt Léo sich aus: Rémi macht mit seiner Oboe Karriere als Musiker – er übernimmt das Management.

Als die Pubertät beginnt, ändert sich das Leben. Léo sieht sich ironischen Kommentaren seiner Mitschüler ausgesetzt und fühlt sich in Rémis Nähe plötzlich nicht mehr wohl. Léo will nicht schwul sein. Er sucht neue Kontakte, wird Mitglied einer Eishockeymannschaft und entfernt sich immer mehr von seinem Freund.

„Close“ erzählt von einem unerwarteten Schicksalsschlag

Anlass für eine 180-Grad-Wende. Nach einer guten halben Stunde Sonnenschein ändert sich alles. Jetzt erzählt „Close“ von einem unerwarteten Schicksalsschlag. Er erzählt aber auch von Mobbing, von furchtbaren Gewissensbissen und von der Sucht nach Leben, dem Willen, weiterzumachen.

„Close“ blickt tief in die Seelen der jungen Darsteller und beschränkt sich dabei ganz aufs Beobachten. Ein Kunstgriff, der am Ende ohne viele Worte in hundert Minuten eine große traurige Geschichte erzählt. Offene Fragen nimmt man dabei in Kauf. Was gibt es bei einem solchen Drama schon für Gewissheiten.