Essen. Die Rock-Legende David Crosby ist im Alter von 81 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Er hinterlässt ein großes musikalisches Vermächtnis.
David Crosby neigte zuletzt, ähnlich wie sein sehr vorübergehender Band-Kollege Neil Young, zu zornigen Attacken gegen die Musikindustrie im Allgemeinen und Spotify im Besonderen: Den schwedischen Streaming-Dienst bezeichnete er im Gespräch mit unserer Zeitung im Sommer 2021 noch als einen „Haufen Diebe“. Da veröffentlichte er gerade sein achtes Solo-Album „For Free“, eine Mischung aus Lebensbeichte und Abschiedsbrief. Nun ist David Crosby mit 81 Jahren nach langer Krankheit gestorben – noch vor wenigen Tagen hatte er über den Himmel getwittert: „Dieser Platz wird überbewertet.“
David Crosby war ein unruhiger, ja, bisweilen nervöser Geist, schon als Jugendlicher flog er von diversen Schulen. Erst im Musikmachen fand er Ruhe. Noch mit den gichtigen Fingern seines hohen Alters spielte er sich in Trance und Balance mit der Welt, er liebte es, den Widerhall seiner Akkorde im ganzen Körper zu spüren. Und sprach offen darüber, sich mit Marihuana in solche besonderen Schwingungen zu bringen, in denen er oft mit extraschrägen Gitarren-Stimmungen zu neuen Songs vordrang. Allerdings hatte er seinen Körper in den 70er- und 80er-Jahren auch schon durch exzessiven Konsum von Kokain und Heroin derart strapaziert, dass 1994 eine Lebertransplantation nötig wurde.
Als David Crosby mit den Byrds große Erfolge einfuhr
Mit Roger McGuinn und Gene Clark hatte Crosby 1964 die Byrds gegründet, die mit den heute ikonischen Aufnahmen von Songs wie „Turn, turn, turn“ (Pete Seeger) oder „Mr. Tambourine Man“ (Bob Dylan) große Erfolge einfuhren. Schon hier zielte die Band auf eine Perfektion im mehrstimmigen Gesang, die ein Musikerleben lang Crosbys Markenzeichen bleiben sollte. Im Laufe der fünf Alben, die er mit den Byrds bis 1967 einspielte, entwickelte er sich selbst zum hochkarätigen Songwriter.
Früh zur Legende aber wurde er, als er mit Stephen Stills von Buffalo Springfield und Graham Nash von den Hollies eine neue Folkrock-Band gründete, die mit ihrem relaxten Westcoast-Sound ein Jahr später beim Hippie-Karneval von Woodstock einen Auftritt für die Geschichtsbücher hinlegte, teilweise mit Neil Young, der ebenfalls von Buffalo Springfield kam und dessen hohe Stimme eine perfekte Ergänzung bot.
Überraschende Breaks und Tempowechsel
Neben der Präzision der Gitarren in überraschenden Breaks und Tempowechseln beeindruckte wiederum die perfekte Vokal-Harmonik der Band etwa im fröhlich-harmlosen Kiffer-Vehikel „Marrakesh Express“ – dabei hatten die vier das Projekt zunächst als reine Zweckgemeinschaft begriffen.
Nicht von ungefähr bestand der Name der Band aus Eigennamen. Doch eine Kritikerin schrieb damals über ihren Gesang, es handele sich um „hochgezüchtete Düsenjäger im Formationsflug“. Die Perfektion hatte ihren Preis: Für die ersten beiden Alben benötigte die Band 1400 Stunden im Studio. Doch schon ab 1971 begann die Supergroup, getrennte Wege zu gehen, auch wenn es 1974 noch mal eine gemeinsame Tournee gab.
Drogen und Waffen brachten David Crosby auch mal ins Gefängnis
Crosby spielte mit Stills und Nash in wechselnden Formationen, zeitweise auch ohne sie. Drogen und Waffen brachten ihn auch mal für ein Jahr ins Gefängnis, noch in den 2000er-Jahren zahlte er in New York 5000 Dollar wegen verbotenen Waffenbesitzes.
Der Mann, dessen früh zugelegter Walross-Bart im Laufe der Zeit immer imposanter wurde, wurde zum Typen mit Kult-Qualitäten und stolperte hin und wieder auch mit teils bizarren Rollen durch Kinofilme und TV-Produktionen. Crosby blickte mit beeindruckendem Eigensinn und brutaler Ehrlichkeit auf die Welt und sein eigenes Leben, sprach aber auch mit liebevollem Respekt etwa über seine Kurzzeit-Liaison mit Joni Mitchell und andere biografische Wendepunkte.
David Crosby war eine echte Type im Rock
Am Ende gehörte der Mann mit einer zutiefst beeindruckenden Sammlung von Akustik-Gitarren zu den wenigen Musikern, die gleich mit zwei Bands in die Hall of Fame des Rock’n’Roll einzogen. David Crosby war eine echte Type im Rock, die uns immer wieder mal und auch in Konzerten vergessen lassen konnte, dass er ein Business ist. Grund genug, traurig zu sein.