Dortmund. Simon Rattle und das London Symphony Orchestra begeistern im Konzerthaus Dortmund mit feinsten Interpretationen: Siblius, Rachmaninow und Dvořák.
Es ist ein Programm ohne Publikumshit, ein Abend ohne Star-Solist, ohne eine einzige Melodie mit Ohrwurmcharakter. Ein Fest des spätromantisch üppigen, oft wild wuchernden Orchesterklangs, durch den das Gehör einen Weg suchen muss. Sperrige Sinfonik also? Nicht, wenn Sir Simon Rattle das London Symphony Orchestra dirigiert.
Gemeinsam setzten sie jetzt ihre Residenz am Konzerthaus Dortmund fort. Wo andere mit dick aufgetragenen Klangmassen ermüden, legen Rattle und das LSO vielfarbige Schichten frei, bringen Struktur in diffuse Flächen. Das beginnt mit den „Okeaniden“ von Jean Sibelius: wogende Fortissimo-Schlieren, beharrlich, grundiert vom Dauerwirbel der Pauke. Das LSO macht hier Strömungen sichtbar, hebt Einzelstimmen vom Grund ans Licht, lässt die Schluss-Steigerung zur Riesenwelle auflaufen.
„Tapiola“ von Sibelius, die „Dritte“ von Rachmaninow, Slawischer Tanz Nr. 3 von Dvořák
Vom Spuk der Waldgeister erzählt der finnische Komponist in der Sinfonischen Dichtung „Tapiola“. Sie wächst sich zu einem irren Geflecht mit harmonischen Querständen aus. Die Läufe der Streicher sausen durch diese Wildnis, als ritten sie auf Hexenbesen. Sie entzünden einen Brand, der mit dem Einsetzen orgelgleicher Klänge wieder erlischt.
Zum Abschluss dann die dritte Sinfonie von Sergej Rachmaninow, in der sich das Orchester klug vom Dolby-Surround-Sound fernhält. Weder Sentiment noch Säbelrasselei. Stattdessen glutvolles Strömen, explosive Kraft und differenzierte Interpretationskunst vom Feinsten. Farbspiele wie bei Alexander Skrjabin, jubelnder Überschwang wie von Richard Strauss, zudem viel rotgoldener Blechbläserklang und Flötensoli wie aus poliertem Silber.„Ist das nicht ein wunderbares Orchester?“, fragt Sir Simon das Auditorium vor der Zugabe, dem Slawischen Tanz Nr. 3 von Dvořák. Man kann ihm da nur zustimmen.