Dortmund. In Dortmund gastiert der älteste Comic der Welt. Faszinierend: die Geschichte dieses deutsch-amerikanischen Erfolges

Die Katzenjammer Kids – da klingelt es hierzulande nicht unbedingt in den Ohren. Dabei sind die bildgewordenen Lausbubenstreiche der Zwillinge Hans und Fritz der älteste und längste Comic der Welt. Seinen internationalen Siegeszug in den USA trat er 1897 an und erscheint noch heute in rund 50 Zeitungen und Zeitschriften weltweit. Zum 125-jährigen Jubiläum gewährt der „Schauraum: Comic + Cartoon“ am Dortmunder Hauptbahnhof einen Einblick in die lange Geschichte des Katzenjammers. Inklusive Originalcomics – und, interessanter noch, inklusive der detaillierten Lebensgeschichte der deutschen Zeichner.

Denn die Familie von Rudolph Dirks, dem Schöpfer der Katzenjammer Kids, träumte den amerikanischen Traum und wanderte 1882 aus Heide in Holstein nach Chicago aus. Damals sind die Deutschen die Wirtschaftsflüchtlinge, und wie ihre Brüder und Schwestern heute, führen die Dirks ein entbehrungsreiches Leben.

Katzenjammer Kids für den „echten“ Citizen Kane

Zumindest, bis Rudolph Dirks einen echten Coup landet. In New York klappert der zeichnerisch begabte Deutsche die Zeitungen und Magazine ab, um seine Kunst zu Geld zu machen. Schließlich bietet ihm William Randolph Hearst eine Anstellung – genau, der William Randolph Hearst, der Modell für den Zeitungstycoon Charles Foster Kane in „Citizen Kane“ stand. Fortan erscheinen die Katzenjammer Kids in Hearsts „NY Journal“.

Schnell werden sie zum Publikumsliebling. Die Entwicklung der Comics lassen sich in Dortmund ganz hervorragend anhand originaler Zeitungsseiten der Wende des 19. und 20 Jahrhunderts nachverfolgen. Für ihre Streiche bekommen die Zwillinge zwar regelmäßig den Hintern versohlt, doch im nächsten Comic-Strip lassen sich die beiden schon wieder den nächsten Schabernack einfallen.

Wer beim Betrachten der in Ehren vergilbten Seiten unweigerlich an Max und Moritz denken muss, liegt goldrichtig. Hearst selbst forderte von Dirks eine Comicserie so nah wie möglich an Wilhelm Buschs Original; zum Verwechseln ähnlich sehen die ersten Ausgaben den Abenteuern der originären Lausbuben.

Die Verehrung von Wilhelm Busch war längst nicht Hearsts einziges Motiv: mit der Ähnlichkeit sollten vor allem die deutschen Einwanderer angesprochen werde. Daher rührt auch das wirre Deutsch-Englisch-Gemisch, das Dirks seinen Charakteren in den Mund legte. Der Erfolg übertrifft Hearsts Erwartungen. Die Katzenjammer Kids begeisterten Amerikaner jeder Couleur und erschienen unter Lizenz in Hunderten Zeitungen im Land.

Rudolph Dirks wird zu einem reichen Mann. Er verdient 1000 Dollar im Monat, heute umgerechnet 25.000 Dollar, und kann seine Familie unterstützen, die mittlerweile auf einer Farm in Wisconsin lebt. Dirks’ Leben nimmt wilde Fahrt auf, das veranschaulicht der Dortmunder Schauraum mit historischen Fotos, Texttafeln und Originalzeichnungen ganz genau. So verpflichtet er sich beim Militär und pausiert seinen lukrativen Job, weil er die Uniformen der Soldaten „fesch“ findet und die Militärkapelle so schön spielt.

Stehaufmännchen Dirks

Er legt sich mit Hearst an, verliert die Rechte an den Katzenjammer Kids – und macht mit den gleichen Figuren (aber unter dem Namen „The Captain and the Kids) bei der „New York World“ weiter. Sein als deutlich talentierter geltender Bruder Gus erschießt sich mit nur 21 Jahren – weil er ein Verhältnis mit Rudolphs Ehefrau hatte.

Die Katzenjammer Kids wurden in Amerika zu einem großen Erfolg.
Die Katzenjammer Kids wurden in Amerika zu einem großen Erfolg. © Schauraum | Rudolph Dirks

Der deutsche, amerikanische Traum

Aller Tragödie zum Trotz: Was uns in Dortmund über den ältesten Vertreter der Comiczunft erzählt wird, ist tatsächlich die wechselvolle, aber durchweg spannende Geschichte eines sehr deutschen und eines sehr amerikanischen Traums.

>> HIER GIBT ES DIE AUSSTELLUNG ZU SEHEN

  • Bis zum 10. April 2023 ist die Ausstellung „125 Jahre Katzenjammer Kids – der älteste Comic der Welt“ im Schauraum: Comics + Cartoon, Max-von-der-Grün-Platz 7, in Dortmund zu sehen.
  • Der Schauraum hat dienstags, mittwochs, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags und freitags von 11 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
  • An jedem Sonntag im 13 Uhr und an jedem ersten Donnerstag im Monat um 18 Uhr gibt es Führungen durch die Ausstellung. Im Avant-Verlag erscheint Mitte Dezember eine Monographie zu Leben und Werk von Rudolph und Gus Dirks.