Dortmund. Deftig klamottig, aber nicht alle Ebenen des Stückes erfassend: Rezas „Gott des Gemetzels“ ist in Dortmund vorwiegend brachiales Boulevardtheater.

Ist es eine Anspielung darauf, dass den Dramen Yasmina Rezas oft eine Nähe zu Tschechow nachsagt worden ist? Beim Eröffnungsbild (bevor „Der Gott des Gemetzels“ gnadenlos seiner Bestimmung nachgeht), kann man sich ein Schmunzeln nicht versagen. Das etwas aus der Zeit gefallene Holzhaus auf der Drehbühne des Dortmunder Schauspielhauses wird flankiert von zwei Kirschbäumen, für einen kurzen Moment fühlt man sich im „Kirschgarten“ (Bühne: Jana Wassong).

Die Hütte könnte man sich aber auch als Spielstätte für Bonn Parks musikalische Horrorstory „Das Haus im Wald“ vorstellen, die eigentlich an diesem Abend ihre Uraufführung erleben sollte, aber wegen einer Erkrankung Parks nicht zustande kam. Eine Ersatzproduktion musste her. Es wurde Rezas preisgekröntes Stück. Wir erinnern uns: Der elfjährige Sohn von Annette und Alain Reille (Linda Elsner, Christopher Heisler) hat bei einer Prügelei dem gleichaltrigen Sprössling von Véronique und Michel Houillé (Lola Fuchs, Linus Ebner) die Vorderzähne eingeschlagen.

Rezas „Der Gott des Gemetzels“ hatte Premiere am Schauspiel Dortmund

Nun treffen sich die Eltern, um in gepflegter Runde über das Vorgefallene zu reden und einen möglichen Konflikt elegant zu bereinigen. Doch der Kunst des zivilisierten Umgangs miteinander ist kein langes Leben beschieden. Über Formulierungen in der Entschuldigung der Reilles, über die Bewertung der kindlichen Prügelei, über hilfreiche pädagogische Maßnahmen driften die Ansichten schon bald auseinander. Und der Riss trennt nicht nur die Elternparteien, verläuft zunehmend auch zwischen den Ehepartnern. Fast im Minutentakt wechseln die Fronten und Allianzen. Der Ton wird schärfer, die Haltung aggressiver, bis der „Gott des Gemetzels“ vollends in seinem verbalen Furor erwacht ist. Am Ende steht die Frage, wie die beiden Ehen nach diesem entlarvenden Abend weitergeführt werden können.

Stürmischer Applaus, aber der Tiefgang blieb auf der Strecke

Wie die Darsteller (die Schauspielerinnen eindrucksvoller als ihre männlichen Kollegen) das Geschehen vermitteln, das sorgt für permanente Lachanfälle und nach 80 Minuten für stürmischen Applaus. Doch da ist in Anna Tentis Inszenierung der ernste Aspekt des Stücks längst auf der Stecke geblieben. Rezas Drama ist nun mal kein Boulevard, ist kein Volkstheater und schon gar keine grell-laute Brachial-Klamotte, in der Protagonisten allein kopfüber ins Boden-Klo eintauchen müssen, sich mit Rum aus gigantischen Tetrapacks volllaufen lassen, in der sich dann Annette Reille derart ausgiebigst über Véroniques wertvolle Kunstbände auskotzen darf. Immerhin: Die Lücke im Spielplan ist geschlossen.

Termine: 2., 10., 16. und 30.12. (19.30 Uhr).Tel. 0231 - 5027222