Düsseldorf. Da hängt ein Bild auf dem Kopf – Piet Mondrian in der Kunstsammlung NRW: Wie er malte, bevor er die Rechtecke auf weißem Grund entdeckte.
Dass ein Bild sieben Jahrzehnte lang falsch herum hängt – und dann weiter so hängen bleiben soll, kommt nicht alle Tage vor. Aber genau so verhält es sich mit Piet Mondrians Spätwerk „New York City I“, das seit 1980 im Besitz der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf ist: Erst für die neue, durchweg überzeugende Mondrian-Ausstellung des Museums entdeckte Kuratorin Susanne Meyer-Büser in den Akten des Hauses ein Foto, das kurz nach dem Tod Mondrians 1944 in seinem New Yorker Atelier aufgenommen wurde und im Hintergrund das fragliche Bild auf einer Staffelei zeigt – und zwar genau andersherum als es seit Jahr und Tag in der Kunstsammlung hängt. Und seit einer Ausstellung 1945 immer hing.
Und in der Tat: Auf den Kopf gestellt wirkt es räumlicher, plastischer, erinnert viel mehr an einen Blick aus dem Fenster auf die Großstadt. Außerdem fangen die Klebestreifen, mit denen Mondrian das Bild überzogen hat, „unten“ bündig an, während „oben“ immer ein Stückchen fehlt – ein Indiz dafür, dass der Maler genau andersherum gearbeitet hat. Trotzdem bleibt das Bild weiter so hängen; vor allem, weil man fürchtet, dass sich die Klebestreifen ablösen, wenn es nach 70 Jahren gedreht würde.
Das Kleid von Yves Saint Laurent – klug gewählte Maler-Stationen
Aber auch jenseits dieses Kuriosums ist die Mondrian-Schau der Kunstsammlung allemal sehenswert. Sie zeigt den Mondrian vor, nach und auch neben den Gitter-Geometrien auf weißem Grund mit primärfarbigen Vierecks-Tupfen, die wohl ungewollt zu seinem Markenzeichen wurden, bis hin zum Mondrian-Kleid von Yves Saint Laurent (1965), an das Kunstsammlungs-Chefin Susanne Gaensheimer bei der Präsentation der Ausstellung erinnerte.
88 Gemälde und Zeichnungen zeigen den „ganzen“ Mondrian, von seinen Anfängen als Student an der Rijksakademie in Amsterdam bis zu jenem Klebestreifen-Bild von 1941. Es gab einen realistischen Mondrian und einen impressionistischen. Der malte Leuchttürme (Westkapelle), Kirchen (Domburg) und Windmühlen – mal rabenschwarz in der Abenddämmerung vor blaulila durchbrochenen Wolkenballungen oder im strahlend grellgelben Sonnenschein, was bösartige Kritiker frechweg zu einem „Schweizerkäse“ erklärten.
Angefixt vom Kubismus Picassos und George Braques
Die Mondrian-Evolution, die Entwicklung des Malers, die zum Titel der Ausstellung wurde, lässt sich hier sehr gut nachvollziehen: Wie Baumwipfel allmählich zu struppigen Strich-Büscheln wurden, wie Mondrian das Äußere auf Strukturen reduzierte und immer abstrakter wurde. Erst recht nach seiner Begegnung mit dem Kubismus Picassos und Braques 1911 in Paris.
1920 wird Mondrian seinen „Neoplastizismus“ in der prägenden Zeitschrift „De Stijl“ theoretisch untermauern; er versuchte, als lebenslanger Anhänger der Theosophie mit ihrem mystischen Gottesbegriff erst recht, malend zum Wesen der Dinge vorzustoßen, zur Struktur der Wirklichkeit. Und wer zum Kern kommen will, muss alles Äußerliche beiseitelassen, wegschälen. Dass sich ausgerechnet Mondrians Geometrien nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Design-Ikone mit Deko-Qualitäten entwickelten, zu letztlich entkernten Oberflächen – es hätte ihn gewurmt.
Jazz von Duke Ellington, Louis Armstrong und Mae West
Die klug ausgewählten Maler-Stationen Mondrians, der vor 150 Jahren in Amersfoort zur Welt kam, sind in Düsseldorf ergänzt um einen Raum, in dem Musik aus der Sammlung des leidenschaftlichen Jazz-Fans erklingt („Der Beat von Piet“), hier kann das Publikum mit bereitliegenden Klebestreifen eigene Mondrian-Variationen anfertigen. Sitz- und Liegegelegenheiten im passenden Stil runden dieses große Mondrian-Wohnzimmer ab. Der Versuch, die Kunstsammlung NRW mit dieser Schau zu popularisieren, die schon in der Fondation Beyeler bei Basel zu sehen war, dürfte gelingen.
Mondrian. Evolution. Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz 5, Düsseldorf. Bis 12. Februar. geöffnet: Di-Fr 10-18 Uhr; Sa/So 11-18 Uhr. Eintritt: zwölf Euro, erm. zehn Euro. Katalog: 44 Euro.