Herne. Der Pianist Martin Stadtfeld widmet ein ganzes Album „Deutschen Volksliedern“ und deutet sie auf seine eigene Weise neu. Ein Gespräch.
Bachs Goldberg-Variationen haben ihm einst den Durchbruch gebracht. Danach hat Martin Stadtfeld in fast 20 Karrierejahren ein weites Feld der Klavierliteratur durchmessen. Sein jüngstes Album gilt Werken, die oft unbekannte Schöpfer haben: deutsche Volkslieder. Lars von der Gönna sprach mit ihm über ein verkanntes Genre und die Schönheit des Schlichten.
Volkslieder, erst recht deutsche: Da rümpft mancher die Nase, denkt an Volkstümeln und vielleicht noch Düstereres. Ist ihr Projekt auch eine Ehrenrettung?
Stadtfeld: Ich glaube, wir sind jetzt aus der Zeit raus, wo man Volkslieder in Schutz nehmen muss. Wir können ganz offen sagen: Das ist ein wundervolles Kulturgut. Und es ist eines, auf das wir stolz sein dürfen. Das Volkslied ist ein Brunnen der Musik, zu dem große Komponisten immer wieder gepilgert sind: Beethoven, Schubert, Brahms.
Was macht den Zauber aus?
Diese Lieder haben in ihrer Schlichtheit etwas Geniales, etwas sehr Berührendes.
Das müsste jeden Komponisten neidisch machen: Qualität und Eingängigkeit sind im Volkslied ganz selbstverständlich Geschwister...
Es ist vielleicht eine Ur-Sehnsucht des Künstlers: etwas zu finden, dass einen selber befriedigt und zugleich absolute Verbreitung findet. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Meine Definition für große Musik ist, dass man sich ein Leben lang mit einem Stück beschäftigen kann, sie aber zugleich auch ganz eingängig ist. Das trifft letztlich auch auf Beethoven, Schubert oder Mahler zu.
Sie komponieren seit langem selbst. Ein Vorbild auch für Sie?
Ja, Vorbild und zugleich die größte Herausforderung. Eine Sehnsucht, dass so etwas gelingt, die habe ich klar in mir.
Sie haben sich Herausforderungen von Schumann bis Chopin gestellt. Wer Ihre neue CD hört, spürt Sympathie, Respekt und ganz offenbar ein Genießen des Einfachen.
Ehrlich: Sie ist mit ganz viel Liebe aufgenommen. Ob „Im Krug zum grünen Kranze“ oder „In einem kühlen Grunde“: das sind lauter Perlen, die aus sich heraus schimmern und leuchten. So etwas Wertvolles behandelt man auch mit ganz viel Zärtlichkeit.
Sie haben Hochvirtuoses im Repertoire, nun spielen Sie diese Volkslied-Arrangements auch im Konzert vor Publikum. Was ist an den Abenden anders?
Bei den Volksliedern spüre ich: Es kommt auf jede Note an, gerade bei den Wiegenliedern wie „Heidschi Bumbeidschi“, die so unendlich schlicht sind und ans Herz gehen. Was die Zuhörerinnen und Zuhörer betrifft: Wenn ich als letztes Stück im Konzert „Ade nun zur guten Nacht“ spiele und das Publikum ganz leise, fast unbewusst, mitsummt, da kommen mir fast die Tränen. Da merke ich: Volkslieder sind etwas extrem Verbindendes. Da entsteht etwas zwischen Menschen, die sich vorher gar nicht kannten.
Ein Plädoyer, sich mit dieser mitunter als altbacken abgetanen Sparte zu beschäftigen?
Volkslieder geben uns im guten Sinne eine Ahnung davon, wo man herkommt.
Bringen sie Ur-Saiten in uns zum Klingen?
Ja. Es ist so, als würde ich meinen Vorfahren die Hand reichen und denen, die nach mir kommen – und das zugleich. Das hilft mir, mit meinen Dingen, die mich bewegen, ganz anders umzugehen: Ich kann sie einbinden in etwas Verbindendes, Menschliches.
Konzertkarten und CDs gewinnen
Martin Stadtfelds Album „Deutsche Volkslieder“ ist bei Sony Classical erschienen. Fünf Leserinnen und Leser haben die Chance, diese CD zu gewinnen. Zugleich verlosen wir 3 x 2 Eintrittskarten für Stadtfelds Klavierabend im Dortmunder Konzerthaus. Am 10. November, 20 Uhr, wird er dort neben Bach und Beethovens Waldstein-Sonate dem Publikum seine Volkslied-Bearbeitungen vorstellen. Wer gewinnen will, wählt bis zum 26. Oktober die Nummer 01378/ 78 76 19 (0,50 € / Anruf). Bitte nennen Sie klar Ihren Wunsch: Stichwort „CD“ oder „Konzert“.