Duisburg. Duisburgs Premierenpublikum feiert begeistert den neuen Tanzabend des Rheinballetts: „Zwischenwelten“ von Demis Volpi und Gil Harush.
Sie friert sich in der Eiseskälte zu Tode, zittert und empfindet nur für Sekunden Wärme, indem sie Streichhölzer anzündet. Und sich in die Vergangenheit hinein träumt flieht – zu ihrer längst verstorbenen Großmutter. Zwischen Leben und Tod bewegt sich „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ in Hans Christian Andersens Märchen, dem Demis Volpi jetzt ein getanztes Requiem widmet. „The little match girl passion“ nennt der Chefchoreograph des Balletts am Rhein seine Kreation, die jetzt bei ihrer Premiere im Duisburger Opernhaus gefeiert wurde.
„Zwischenwelten“ nennt Volpi den Abend und stellt sein Werk dem des Choreographen Gil Harush gegenüber. In „Don’t look at the jar“ (was frei übersetzt heißt „Beurteile ein Buch nicht nach seinem Einband“) führt der junge Israeli, im Zweitberuf Psychotherapeut, in den Schwebezustand zwischen männlich und weiblich. Mit Transgender und der Genderfrage im Allgemeinen bringt er in dahinflutenden Körperbildern und manchmal verwirrenden Szenen ein Sujet auf die Bühne, das in Harushs Generation offen ausgelebt wird, jedenfalls für die Mehrheit der Gesellschaft kein Tabu mehr ist. Und am Ende mit ausgelassenem Jubel gefeiert wurde.
Demis Volpis Ballettabend „Zwischenwelten“ feierte jetzt in Duisburg Premiere
Für Volpis Passionsgeschichte des kleinen Mädchens werden Kameras und Instrumente zunächst gerichtet, Tänzer und Sänger platziert. Das Dekor (Flurin Borg Madsen) erinnert an ein Filmset. Im Vordergrund das zarte Wesen, die mit angewinkelten Armen und Beinen zittert, kaum in der Lage ist, die großen Schwefelhölzer zu halten. Zu modernen, dann sakralen Klängen von David Lang (an Bachs „Matthäuspassion“ angelehnt) zeichnet die Solistin Rose Nougué-Cazenave ein beeindruckendes Porträt des kauernden Kindes: zunächst mit spärlichen, beinah eingefrorenen Bewegungen. Sobald sie in der Traumwelt landet (in eine gewärmte Wohnung) überrascht sie mit ausgreifenden, zum Teil virtuosen Schrittfolgen. Unterstützt von Joaquin Angelucci, der sie Schneestaub einhüllt – und die ‚Kälte‘ darstellen soll. Dann wird sie umarmt von allegorischen Figuren, wie Wärme, Feuer, Mutter und Vater.
Harushs Choreographie ist ein kleines Gesamtkunstwerk
Zu Harushs kleinem Gesamtkunstwerk in und vor einem durchsichtigen Zelt aus Lichterleisten (Bühne: Harush) gehört es vermutlich, dass weibliche und männliche Körper nur schwer auseinanderzuhalten sind. Zu surrenden, vibrierenden Sounds von ‚Wooden Elephant‘ nach Sophie (einer jung verstorbenen Transgender-Sängerin) treten 15 Solisten auf, die gleiten, drehen, springen, über den Boden rollen, manchmal zu zweit oder in einer Reihe hintereinander sitzen oder auf einem Arm abgestützt liegen. Einige kommen introvertiert und zart über die Bühne, andere extrovertiert - voller Kraft und Freude an der eigenen Bewegungs-Lust. Denkt man, ein Mann sei der athletische Springer, entlarvt er sich als Frau. Und umgekehrt. So treiben sie (auch mit Kostümen und Schuhen) in langen 45 Minuten (mit einigen Wiederholungen) ein Verwirrspiel. Finale mit ironischem Blinzeln: Im Chor rufen sie aus ihrer Zwischenwelt heraus „Good morning angels“ und „Good morning Charlie“
Nächste Termine: 24., 28. Sept., 11., 21. Oktober im Theater Duisburg. www.operamrhein.de Tel: 0203/ 2836 2222