Essen. Theater, das die Welt zur Zukunft aufstößt: Mit „Virtual Reality“-Brillen können Theatergänger in Essen Marlen Haushofers „Die Wand“ erleben.

Die übergroße VR-Brille drückt sich auf die Wangen. Die Kopfhörer umschließen die Ohren. Abtauchen in eine virtuelle Welt, die aus dem Schauspiel geboren wurde. Regisseur Thomas Krupa hat sich nach dem Erfolg des 360-Grad-Projekts „Der Reichsbürger“ Marlen Haushofers berühmtesten Roman, „Die Wand“ gewidmet. Die teure Technik aus der Gaming-Industrie wurde für das Schauspiel Essen von der Brost-Stiftung unterstützt und kann ab sofort für das Heim-Erlebnis ausgeliehen werden.

Leise dringen die Worte ins Ohr. Sie kommen aus dem Off und erzählen von einer nicht näher bezeichneten Umweltkatastrophe, die eine junge Ausflüglerin hinter einer unsichtbaren Wand auf sich selbst zurückwirft. 1963, als Haushofers Roman erschien, mag sie von einem drohenden Atomkrieg inspiriert worden sein.

Thomas Krupa inszeniert in Essen Marlen Haushofers „Die Wand“

Krupa schreibt die Situation ganz klar der von Menschen verschuldeten Klimakrise zu: Jenseits der Wand sind Menschen und Tiere tot. Versteinert tauchen sie im futuristischen Essener Stadtbild auf. Nur die Pflanzen leben noch und holen sich ihr Refugium gnadenlos zurück. Krupa gelingt ein eindringlicher Ökothriller, der Haushofers Hauptthema, die menschliche Isolation, nie außer acht lässt.

Floriane Kleinpaß begibt sich als namenlose Frau fast im Alleingang in einen unspektakulären, dennoch spannenden Überlebenskampf in knapp anderthalb Stunden. Der Zuschauende wird zum stummen Mitbewohner, sogar zum Spiegel in einem langsam überwucherten Tiny-Haus. Der Blick geht nicht nur geradeaus auf eine Bühne. Er wird gelenkt. Und zwar ganz nah an Angst, Erschöpfung, Schmerz, aber auch Zufriedenheit. Der Beobachter muss sich drehen und wenden, um an ihrem intensiven Spiel dranzubleiben.

Das Theaterprojekt mit digitalen Mitteln ist keine Gefahr fürs Live-Erlebnis

Der Teilnehmende taucht aus der virtuellen Welt etwas orientierungslos auf, ist sich aber sicher: Diese digitale Kunst ist eine Reise wert, wird jedoch weder dem Theater noch dem Kino zur Gefahr, geschweige denn dem Buch. Sie entfacht eher die Lust auf Marlen Haushofer im Original.

Termine für „Die Wand (360°)“ können online über www.vr-brille@tup-online.de gebucht werden. Buchung inkl. Lieferung und Abholung der VR-Brille sind ausschließlich im Essener Stadtgebiet für 26 Euro möglich. Weitere Infos: www.theater-essen.de