Boston/Oberhausen. Der Cirque du Soleil kommt diesmal auf Kufen daher: „Crystal“ spielt auf dem Eis. Shows gibt’s ab Oktober in Köln, im November folgt Oberhausen.

Draußen klopft der Sommer an die Türen, aber die Sprecherin der „Agganis Arena“ senkt Worte der Mahnung in die Herzen der Besucher. „Ziehen Sie eine Jacke an.“ Denn es ist kühl in der Mehrzweckhalle in Boston, weil der Zirkus in der Stadt ist. Nicht irgendeiner, sondern der „Cirque du Soleil“. Und erstmals in seiner Geschichte kommt er mit einer Show, die auf dem Eis spielt. „Crystal“ heißt sie und kommt im Herbst auch nach Oberhausen und Köln.

Die Bostoner Premiere, sie zeigt, dass dieser Zirkus auch mit den neuen Bedingungen hervorragend zurechtkommt. In „Crystal“ beginnt die Unterhaltung, noch bevor das Programm startet. Live-Musiker treten aus der „Manege“, die anfangs aussieht wie ein Stadtpark mit einem zugefrorenen Teich und spielen vor und mit dem Publikum. Und dann ist da Clown Nate, der einen Wagen mit Schnee um die Eisfläche schiebt und ein Gerät besitzt, mit dem er daraus Bälle formen kann. Man ahnt, worauf das hinausläuft.

Crystal bricht beim Schlittschuhlaufen durch das Eis

Es gibt auch so eine Art Geschichte. Sie handelt, sehr verkürzt gesagt, von Crystal, einer jungen Frau, die beim Schlittschuhlaufen durch das Eis bricht. Unter Wasser halluziniert sie in einer Spiegelwelt. Das ist manchmal so, als hätte sich Alice im Wunderland in Kafkas Prozess verirrt – also etwas wirr. Aber das ist nicht schlimm. Denn der Zauber von Crystal entfaltet sich auch, wenn man die Story nicht immer nachvollziehen kann.

Das liegt etwa daran, dass die Eisfläche viel mehr ist als nur gefrorenes Wasser. Sie wirkt wie ein riesiges unbeschriebenes Blatt, das sich immer wieder mit Worten, Farben, Designs und Bildern füllt. Mit Hilfe eines grandiosen Licht-Designs und aufwendigen Projektionen spiegeln sich die Bilder auf dem Eis, zeichnen Darsteller mit ihren Schlittschuhen Muster und lassen manchmal ganze Welten entstehen. Es gibt den Clown und den Jongleur, es gibt riskante Trapeznummern, Stangenakrobatik, die nichts für schwache Nerven ist und Eis-Skater, die mit atemberaubendem Tempo über Rampen so nah aneinander vorbeifliegen, dass der Blutdruck vieler Zuschauer unweigerlich steigt.

Gecoverte Hits von U2, Sia und Beyoncé

Es wird gesteppt, getanzt, geflogen und gesprungen. Und das alles - erstmals beim Cirque - nicht nur zu eigens geschriebener Musik, sondern auch zu gecoverten Hits von U2, Sia oder Beyoncé.

Knapp 150 Minuten bricht „Crystal“ mit den traditionellen Formen von Eis-Shows und verbindet die Schönheit des Eiskunstlaufs mit Akrobatik in Perfektion. Man staunt als Zuschauer, man lächelt als Erwachsener und lacht als Kind. Und wenn man unbedingt meckern will, dann höchstens darüber, dass zeitweise so viel passiert auf dem Eis, dass man gar nicht alles mitbekommt. Für Clown Nate kein Problem. „Kommen Sie“, rät er lächelnd, „einfach zwei Mal.“