Bayreuth. Die 110. Richard-Wagner-Festspiele beginnen am Montag. Bislang 61 Covid-19-Fälle. Spannung vor dem neuen „Ring“ – neuer Regisseur, neuer Dirigent
Das garstige Coronavirus hat zwar die Proben der letzten Wochen mächtig durcheinandergewirbelt und kann noch bis zur Eröffnungspremiere am kommenden Montag für Überraschungen sorgen. Aber eine verlässliche Tradition bleibt unberührt: Angela Merkel wird den roten Teppich zur Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ betreten.
Ansonsten schwankt einiges bei den Festspielen so unberechenbar wie das Schiff des „Fliegenden Holländers“. 61 offizielle Corona-Infektionen vor allem unter den Solisten und dem technischen Personal hielten die Besetzungs- und Leitungsbüros auf Trab. Zum Glück blieben Chor und Orchester weitgehend verschont. Größere Ausfälle könnten zu ernsthaften Störungen bis hin zu gestrichenen Aufführungen führen. Zumal in diesem Jahr der Chor, der vor allem im „Fliegenden Holländer“ und dem „Tannhäuser“ viel zu singen hat, wieder live auf der Bühne singen und nicht aus isolierten Kabinen im Probenraum ins Festspielhaus übertragen werden soll. Masken sind im voll besetzten Haus zwar nicht Pflicht, werden aber von der Festspielleitung dringend empfohlen.
Im Fokus: Valentin Schwarz als Regisseur, Cornelius Meister als Dirigent beim „Ring“
Wegen der Corona-Erkrankung von Pietari Inkinen springt Cornelius Meister, Generalmusikdirektor der Stuttgarter Staatsoper, als „Ring“- Dirigent ein; Meister übernahm bereits die letzten Proben, gilt als werkkundig und arbeitet eh an einem neuen „Ring“ in Stuttgart. Bayreuth-Erfahrung sammelte er bereits 2004 als Assistent von Pierre Boulez beim legendären „Parsifal“ von Christoph Schlingensief. Hätte Meister auch noch den „Tristan“ dirigiert (den Markus Poschner übernimmt), müsste er in 16 Tagen 13 ellenlange Aufführungen überstehen. Einen solchen Kraftakt hat bisher nur Herbert von Karajan gestemmt, als er 1951 zusätzlich zu den „Meistersingern von Nürnberg“ für den erkrankten Hans Knappertsbusch den „Ring“ übernahm.
Die Verpflichtungen Poschners, der noch nicht zu den etablierten Wagner-Dirigenten gehört, wie auch die Pietari Inkinens, der dann im nächsten Jahr den „Ring“ dirigieren soll, entsprechen der Philosophie der Festspielchefin Katharina Wagner, neue Namen an den Hügel zu binden. Was auch für Regisseure wie Valentin Schwarz gilt, der mit dem „Ring“ vor einer Herkulesaufgabe steht. Viele große Opernproduktionen hat er bisher nicht aufzuweisen. Die letzte an der Kölner Oper mit York Höllers komplexer Roman-Vertonung „Der Meister und Margarita“, die er mit einer wahren Bilderflut überschwemmte, das Verständnis der diffizilen Handlung damit allerdings nicht erleichterte.
Katharina Wagners Vertrag und Angela Merkels Zuverlässigkeit
Die Besetzung neuer Dirigenten wie Cornelius Meister, Pietari Inkinen und Markus Poschner geht einher mit einem schwindenden Einfluss von Christian Thielemann, dessen Vertrag als „Musikdirektor der Bayreuther Festspiele“ nicht verlängert wurde und der in dieser Saison lediglich die Wiederaufnahme des „Lohengrin“ leiten wird.
Als Wiederaufnahmen stehen der „Lohengrin“, „Der Fliegende Holländer“ und der extrem widersprüchlich bewertete, teils hymnisch glorifizierte, teils vernichtend kommentierte „Tannhäuser“ in der Regie von Tobias Kratzer auf dem Programm. Probleme mit der Vertragsverlängerung von Katharina Wagner und komplizierte rechtliche Vereinbarungen der Richard-Wagner-Stiftung und der Familie Wagner werden in der Öffentlichkeit derzeit nur marginal wahrgenommen. Ebenso der an sich übliche Familien-Knatsch im Wagner-Clan. Aber verlassen kann man sich auf Angela Merkel. Sie wird kommen. Und, wie wir sie kennen: mit Maske.